Von Hansueli auf Montag, 01. Juli 2024
Kategorie: Nordamerika

Im Zickzack nordwärts

Ich fand in der Umgebung von Salt Lake City keine Stelle, von der aus ich über den Great Salt Lake blicken konnte. Vermutlich hätte ich den Berg hinauffahren müssen. Ich dachte, ich finde eine Aussicht auf der Strasse zur grossen Salzwüste. Eine Stelle, an der ich anhalten könnte, fand ich nicht. Auf Wikimedia gibt es Fotos vom See.



Nach dem Einkaufen fuhr ich westwärts bis zur Südwestecke der grossen Salzwüste. In der Mitte der Salzwüste, an der Hwy 80, steht der 27 Meter hohe ‹Metaphor: The Tree of Utah› des schwedischen Künstlers Karl Momen aus dem Jahr 1986. Der Betonbaum mit den sechs Kugeln ist der ‹Ode an die Freude› von Friedrich Schiller gewidmet. Bekannt ist es auch aus dem vierten Satz von Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie. Ein Zaun umgibt grosszügig das Kunstwerk. Die Behörden befürchten, dass sich Teile lösen und Leute zu Schaden kommen. In diesem Teil der Salzwüste, Bonneville Salt Flats, wird jedes Jahr eine flache Piste für die Geschwindigkeitsrekorde präpariert.
Auf einer leichten Anhöhe auf BLM Land, fand ich einen fast ebenen Platz zum Übernachten.



Die schmale Strasse ist bis zur Grenze zu Nevada am westlichen Ende der Salzwüste asphaltiert. Nach ein paar Kilometern in Nevada ist man zurück in Utah. Bis zur Hwy 30 ist es eine gut zu fahrende Schotterstrasse. Erst quert die Strasse einen leichten Gebirgszug, der wie eine Halbinsel in die Salzwüste hineinragt. Entlang am nächsten Höhenzug hat es in der kargen Landschaft, dort wo es ein wenig grüner ist, ein paar Farmen. Bei der asphaltierten Hwy 30 stellte ich die Stossdämpfer von weich auf mittel und füllte die Reifen zurück auf Strassendruck.


Bei Curlew Junction bog ich auf die Hwy 42 (Old Highway 81) ab und erreichte nach wenigen Meilen den US Staat Idaho. In der Nähe von Malta befindet sich neben einem kleinen Wald und einer Quelle ein freier BLM-Camping ohne Infrastruktur. Als Malta 1860 gegründet wurde, brauchte es einen Namen für das Postamt. Die wenigen BewohnerInnen fanden, die paar Häuser in der Landschaft sehen wie eine Insel im Meer aus. So gaben sie ihrer Poststelle den Namen Malta.


In Boise, der Hauptstadt von Idaho, wollte ich nicht übernachten. Und bis dorthin auch nicht die ganze Strecke auf der grossen Interstate fahren. Ich wählte kleine Strassen durch die Landschaft. Ohne zusätzliche Bewässerung kommt die Landwirtschaft nicht aus. Auch auf den Rinderweiden stehen grosse Bewässerungsanlagen. Daneben ist die Landschaft trocken. Bei vielen Häusern flattert neben der USA Flagge auch die Trump 2024 Flagge im Wind. Eine für mich sehr traurige Realität. Die nach der kürzlichen TV-Debatte noch realistischer wurde.


Kurz vor Boise übernachtete ich auf einem offenen grossen Platz. Auf einmal stieg mir Rauchgeschmack in die Nase. Weit und breit keine anderen Menschen und kein Feuer in Sicht. Die Sonne wurde orange, es war eine Rauchwolke von westlichen Waldbränden, die vorbei zog.


Neben Einkaufen wollte ich mir in Boise das BAM (Boise Art Museum) ansehen. Mit dem Van an einem Sonntag in einer Stadt hat man den Vorteil, dass die zeitliche Beschränkung von Parkplätzen nicht gilt und viele Parkplätze frei sind. Am Sonntag öffnet das BAM erst um 12 Uhr. Ich war ein wenig zu früh und setzte mich in den angrenzenden Rosengarten. Ausser die paar Skulpturen im Garten darf man im BAM leider nicht fotografieren. Ausgestellt werden hauptsächlich Bilder von US KünstlerInnen ab Jahrgang 1900. Zusätzlich werden einige Keramikarbeiten und Skulpturen gezeigt. Ein aus gebogenen Winkeleisen, vermutlich Fundstücke, zusammengesetztes lebensgrosses Pferd, fand ich gut gemacht. Sehr minimalistisch, trotzdem mit starkem Ausdruck. Erst nachträglich las ich auf Wikipedia, dass die Künstlerin Deborah Butterfield fast ausschliesslich Pferde macht. Sie benutzt Pferde als Metapher für ihr Selbstbildnis. In einem Reiseführer steht, dass fünf Werke von Andy Warhol ausgestellt werden. Diese sah ich nirgends. Dafür sah ich fünf kleinformatige Bilder von Roy Lichtenstein. Beide gehören zur Pop Art, wirkten in New York und waren etwa gleich alt. So kann es schon mal zu einer Verwechslung kommen. Als ich das BAM verliess, hörte ich Steelband-Musik. Im Park hinter dem BAM spielte eine grosse Gruppe Kinder und Jugendliche auf Steelpans.


Auf meiner Weiterfahrt sah ich auf der Staumauer vom Lucky Peak Reservoir „KEEP YOUR FORESTS GREEN” (Halte deine Wälder grün). Unterhalb der Staumauer vergnügten sich viele Leute am und auf dem Boise River. Im Stausee waren viele Motorboote unterwegs. Ich wollte bis nach Lowman fahren und entschied mich für die Ponderrosa Pine Scenic Route (Hwy 21). Der in iOverlander angegebene freie Platz war direkt an der Strasse und gar nicht attraktiv. Am Waldweg den Berg hinauf fand ich keinen halbwegs ebenen Platz. So wählte ich wenige Kilometer weiter den Mountain View Campground vom National Forest. Er liegt an einem kleinen Fluss mit alten Bäumen. Es ist Selbstregistration, den Betrag muss man in ein Couvert legen, beschriften und einwerfen. Mit der Nationalpark Jahreskarte kosten ein Tag 7.50$. Ich hatte nur noch 20$ Noten, kleiner nicht mehr. Der anwesende Camp Host konnte mir nicht wechseln. Ich steckte 20$ ins Couvert und blieb 2 Tage.



Auf der Strecke konnte ich in Idaho City Trinkwasser auffüllen und dem Grauwassertank leeren. Auf Schotterstrassen dringt feiner Staub in den Van. Den zusätzlichen Tag auf dem Campingplatz nutzte ich, um die Türen besser einzustellen. Bei der rechten Hintertür war die obere Arretierung sehr lose. Danach putzte ich den Van innen mal wieder gründlich. Wasser hatte ich dafür genügend im Tank. Ob immer noch Staub auf trockenen Schotterstrassen hinein kommt, weiss ich im Moment nicht.


Ich fuhr weiter auf der Hwy 21 über den Banner Creek Summit (2150 m) am South Fork Payette River entlang. Einige heisse Quellen münden in den South Fork Payette River. In Stanley endet die Hwy 21, die Hwy 75 folgt dem Salmon River entlang talwärts. Unter 1900 m wurde die Landschaft wieder dürrer. Ohne Bewässerung sah ich keine satten grünen Flächen mehr. Ich übernachtete auf dem renovierten BLM Cottonwood Campground am Salmon River. Vorher wechselte ich auf einer Bank Dollars in kleine Noten, damit ich den richtigen Betrag in das Couvert der Selbstregistrierung packen kann. Ich nutze jede Gelegenheit, um Trinkwasser zu füllen und Grauwasser abzulassen. Das mache ich auch auf diesem Campingplatz. Viele BLM- und National-Forest-Campingplätze haben kein Trinkwasser und keine Dumpstation (Abwasserstation).


Nach der Ortschaft Salmon heisst die Hwy 93 ‹Lewis and Clark Trail›. Anfang des 19. Jahrhunderts gehörten nur die östlichen Gebiete zu den USA. Die heutigen mittleren Staaten gehörten zu Frankreich, der Südwesten zu Spanien. Nach dem Kauf Louisianas von den Franzosen im Jahr 1803 beschloss der damalige US-Präsident eine kleine Expedition loszuschicken, um das westliche Land bis zum Pazifik zu erforschen. Zwischen Mai 1804 und September 1806 führten Meriwether Lewis und William Clark die 33 Männer an. Später stiess der französische Pelzhändler Toussaint Charbonneau mit seiner Frau Sacajawea dazu. Sacajawea war eine Shoshone-Indianerin, die als junges Mädchen entführt und als Sklavin an Charbonneau verkauft wurde. Unterwegs gebar sie ihren Sohn Jean-Baptiste. Erst 100 Jahre später, auf Druck von Frauenorganisationen, wurde gewürdigt, wie wichtig ihre Sprachkenntnisse und ihr Wissen über Pflanzen und Tiere für die Expedition war.


Auf dem Lost Trail Pass erreichte ich den US-Staat Montana. Montana ist etwa 9 Mal so gross wie die Schweiz und hat nur 1,3 Millionen EinwohnerInnen. Mein Van ist in Montana steuergünstig registriert.


Vom Lost Trail Pass nordwärts sah ich dicke Regenwolken. Die grossen Regentropfen kamen bald in grosser Menge.
Im Hallenbad von Hamilton gönnte ich mir eine Dusche. Danach fuhr ich auf einer neu gemachten Forststrasse den Berg hinauf. Nicht ganz eben stehend genoss ich den Blick auf einen grossen Regenbogen über dem Tal.


Auf der breiten Highway wollte ich nicht weiter nordwärts zu fahren. Die alten Hwy 93 benutzte ich bis kurz vor Missoula. Dort kaufe ich frisches Gemüse und Früchte. Missoula verliess ich ostwärts, um später auf der Hwy 200 nach Norden abzubiegen. Ein kurzes Stück auf der Lindbergh Lake Road brachte mich an einen kleinen, einsamen Platz ans Ufer vom Swan River im National Forest.


Auf der Weiterfahrt nach Kalispell kam ich am Swan Lake vorbei. Nicht ganz dem See entsprechend hörte ich Philip Glass Piano Concerto No3 statt die Ballett Musik Op. 20 von Pjotr Iljitsch Tschaikowski. Kalispell ist die ‹Heimat› von meinem Van. In Arizona fragte mich ein Mann, ob ich aus Kalispell komme und war enttäuscht, dass nur der Van eine Nummer von dort hat. Die 7 als erste Zahl auf der Nummer steht für die Region Kalispell. In einem Bio-Laden fand ich Schwarztee, sodass ich fürs Frühstück in nächster Zeit nicht auf Teebeutel angewiesen bin.


Mein Ziel war der Fish Creek Campground im Glacier-Nationalpark. Am nächsten Tag plante ich die 80 km lange ‹Going-to-the-Sun Road› fahren. Wer die Strecke von West nach Ost zwischen 6 und 15 Uhr fahren will, muss sich am Abend vorher, ab 19 Uhr, auf der Webseite registrieren. Die Grösse vom Fahrzeug ist begrenzt. Länger als 21 Feet (6,4 m) und breiter als 8 Feet (2,4 m) darf ein Auto nicht sein. Mein Van passt in diese Grenzen. Die Strasse erinnerte mich an eine schmale Passstrasse in den Alpen mit leicht anderer Fauna.


Auf einem Parkplatz fragte mich ein sportlicher Velofahrer, ob ich aus der Schweiz komme. Auf meine Frage, wie er darauf kommt, zeigte er auf die URL auf meinem Van. Ich war erstaunt, denn in den USA weiss kaum jemand, dass eine .ch URL Schweiz bedeutet. Er arbeitete mal beim ETH-Supercomputer in Lugano.



Bei schönem, sonnigem Wetter und am Samstag waren viele unterwegs. Die Parkplätze zu den kurzen Wanderungen waren überfüllt, wie auch der auf dem Logan Pass. In solchen Situationen ist mein Van auf einmal gross. Als ich an einem beliebten Aussichtspunkt wieder wegfahren wollte, sah ich im Rückspiegel hinter mir ein Reh auf der Strasse. Ruhig lief das Reh zwischen den Autos durch auf die andere Strassenseite und frass da und dort, trotz der vielen Leute.


Nach der ‹Going-to-the-Sun Road› fuhr ich auf der Hauptstrasse zurück in Richtung Kalispell. In der Nähe von West Glacier bog ich auf einen Waldweg ab, an dem es einige freie Plätze zum Campen gibt. Am Samstag und bei schönem Wetter scheint das ein beliebter Ort zu sein. Ich fand einen knappen, fast ebenen Platz ganz am Waldweg. Wie der Wetterbericht ankündigte, begann es am nächsten Morgen zu regnen und die nächsten Tage soll das Wetter unbeständig bleiben. Perfekt, dann kann ich gut im Van sitzen und diesen Blog fertigstellen. Auch wenn ich zwei Tage im Wald bleibe, habe ich noch genug zum Essen.

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