Von Hansueli auf Samstag, 11. Mai 2024
Kategorie: Nordamerika

New Orleans und Florida

Durch das wasserreiche Gebiet sind durchgehende kleine Strassen nach Osten selten. Von New Iberia aus fuhr ich zunächst auf dem stark befahrenen Hwy 90. Nach einem kleinen Umweg über eine kleine Strasse kreuzte ich den Hwy 90 nach Houma in Richtung Lac des Allemands. An der öffentlichen Bootsrampe des Dorfes Bayou Boeuf übernachtete ich. Ich fand gerade noch einen Platz, alles war voll von Pickups mit Bootsanhängern. Gegen Abend kamen die Boote zurück, viele mit sehr grossen Motoren und entsprechendem Lärm. Irgendeine Angelveranstaltung. Viele hatten die gleichen leuchtenden T-Shirts an. Nach Einbruch der Dunkelheit hatte ich den Platz für mich allein. Auch am Sonntagmorgen war es ruhig. Am Rande des Parkplatzes liegt viel Müll herum, trotz des Schildes, auf dem eine Strafe für Müllablagerung angedroht wird.


Wie viel Müll herumliegt, ist von Bundesstaat zu Bundesstaat sehr unterschiedlich. In Louisiana liegt ziemlich viel herum. Dafür gibt es vor jeder Kirche, und davon gibt es viele, ein Verkehrszeichen am Strassenrand. Statt ‹Bump› für Bodenschwelle steht auf dem gelben Schild ‹Church›. Zum Verhältnis von Natur und Christentum kam mir dieses Bibelwort in den Sinn: «Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über Fische des Meeres, über Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!» (1. Genesis 1,28). Im Süden der USA habe ich mehrmals gesehen, wie während der Fahrt ein Becher oder leer Petflaschen aus einem Auto geworfen wurde. Ich glaube nicht, dass mit ‹füllt die Erde› gemeint war, sie mit Müll zu füllen.


Für die nächsten Tage buchte ich einen Platz auf einem Lousiana State Park Camping ausserhalb von New Orleans. Meine frischen Vorräte gingen zur Neige. Zuerst fuhr ich in die Stadt zum Einkaufen. Nur 2 grosse hohe Brücken überqueren den Mississippi auf dem Stadtgebiet. Der Campingplatz liegt südlich der Stadt. Als ich im Internet nach einem Parkplatz in der Innenstadt suchte, hatte ich zum ersten Mal Sicherheitsbedenken. Abgesehen davon, dass die Parkplätze teuer sind, lese ich in den Kommentaren immer wieder von eingeschlagenen Fensterscheiben. In der Nähe, 5km, gibt es einen Bus direkt in die Innenstadt. Eine Tageskarte für 65+ 2$. Einziger Nachteil, der letzte Bus fährt am frühen Abend. Im Bus war ich das einzige männliche Bleichgesicht.


Kaum ausgestiegen, ein trauriger Anblick. An einer Kreuzung mit Bürogebäuden und Parkplätzen steht Louis Armstrong, zerquetscht, als Bronzestatue. Er merkt es nicht mehr, er wäre jetzt 123 Jahre alt, trotzdem hätte ich ihm einen schöneren Platz gegönnt. Der NZZ-Artikel "Entfesselter Urwald" - Louis Armstrong und der Rassismus" vom November 2022 beschreibt, wie Louis Armstrong jeweils in der Schweiz empfangen wurde und was die Presse darüber schrieb.



Ich ging im French Quarter in der Altstadt von New Orleans auf und ab. Das Viertel schien mir heute vor allem auf den Tourismus ausgerichtet zu sein. Das Jazz Museum zeigt die Entstehung und Entwicklung des Jazz in New Orleans. Täglich finden Konzerte im Jazz Museum statt. Bei meinem Besuch hörte ich Jazzrock mit E-Gitarre, E-Bass und Schlagzeug. Der Gitarrist sang auch.



Im Norden von Arizona lag noch Schnee und es war kalt. Dieses Wetter lud mich nicht ein, den Norden des Grand Canyons zu besuchen. Ich beschloss, im wärmeren Süden zu bleiben und nach Florida zu reisen. Bei Florida dachte ich vor allem an Rentnerparadies, extremen Konservatismus und Golfplätze.


Von New Orleans aus fuhr ich zunächst auf dem Highway I-10 nach Osten bis Pensacola. Ich war erstaunt, wie schnell ich nach einem kurzen Stück Alabama in Florida war. Florida erstreckt sich weit nach Westen an der Küste entlang. Pensacola war die erste europäische Siedlung auf dem Gebiet der heutigen USA. Die Kolonialgeschichte interessierte mich zu wenig. Ich fuhr lieber an die Küste und übernachtete auf einem Walmart-Parkplatz. Ich blieb an der Küste, kam an Panama City vorbei. Wieder ein bekannter Name. Die Landschaft ist grün und üppig. An einem kleinen Fluss inmitten von Wald und wenigen Häusern stellte ich den Van neben einer Bootsrampe ab. Der Wasserstand war hoch, der Steg und der Garten eines nahegelegenen verlassenen Hauses überflutet. Das einzige Geräusch an diesem ruhigen Ort war das Quaken der Frösche bis spät in die Nacht.


Die nächste Nacht verbrachte ich wieder an einer Bootsrampe mit mehr Verkehr in der Tampa Bay. Direkt neben der Bootsrampe befindet sich ein Hundestrand. Das angrenzende Naturschutzgebiet, Picnic Island, wird nach Sonnenuntergang geschlossen.


Von St. Petersburg aus überquerte ich die Tampa Bay auf der Sunshine Skyway Bridge in Richtung Venice. In Venice lebt Ruth im Winter, eine begeisterte Tangotänzerin und Kajakfahrerin. Wir lernten uns vor einem halben Jahrhundert in Winterthur kennen. Venice mit einem kleinen alten Kern und vielen umliegenden Vororten, die grösstenteils von Snowbirds bewohnt werden. Snowbirds ist der amerikanische Ausdruck für Menschen, die den Winter in warmen Gegenden und den Sommer in ihrer milderen Heimat verbringen. In Arizona leben viele Snowbirds in ihren Wohnmobilen, in Florida bevorzugen sie Häuser und Wohnungen.


Der Blick aus Ruths Wohnung geht auf eine naturbelassene Grünfläche mit Sträuchern, Bäumen und Palmen. Die Strasse in der Nähe hat wenig Verkehr. Ich durfte ihr Gästezimmer und Bad benutzen und hatte den Luxus, jederzeit duschen zu können. Ruth zeigte mir ihre Lieblingskajak-Touren auf dem Myakka River und in der Nähe der Turtle Beach. Sie mit ihrem eigenen Kajak und ich mit einem gemieteten. Im Laufe des Aprils kehren viele Snowbirds in den Norden zurück. An den weissen Sandstränden gibt es dann viel Platz und das Meer ist angenehm warm.


Meine Haare mussten dringend kürzer werden. Wer die Gegend so gut kennt wie Ruth, kennt bestimmt auch einen guten Coiffeur. So bekam ich den besten Haarschnitt der letzten Jahre.


Zweimal begleitete ich Ruth als Zuschauer zu einem Tangotanzabend (Milonga) im Gulfport Casino Ballroom. Gulfport liegt südlich von St. Petersburg in einer schönen Ecke an einer grossen Bucht mit einem gemischten Publikum. Man hat dort weder das Gefühl von Senioren noch von Trump. Ich lernte viel über Tango, selbst tanzen oder lernen macht mich nicht an.


Jeden Morgen und Abend bietet eine Frau am Venice Beach Yoga an. Ich hatte noch nie Yoga gemacht und war neugierig. Das angebotene Yoga ähnelte sehr dem Stretching, welches ich in Zürich jahrelang einmal pro Woche besuchte. Ein Unterschied zum Stretching in Zürich war, dass ich am Starnd nicht der einzige Mann war, der daran teilnahm.


Selby Gardens in Sarasota besuchte ich alleine. Marie Selby heiratete 1908 William Selby, der Partner seines Vaters in der Selby Oel and Gas Company (heute Texaco) war. Nach ihrem Tod 1971 vermachte Marie Selby ihr Anwesen und 2 Millionen Dollar als Stiftung für die Entwicklung des Botanischen Gartens.1955 schrieb die noch unbekannte japanische Künstlerin Yayoi Kusama einen Brief an die amerikanische Künstlerin Georgia O’Keeffe und bat sie um Rat, wie sie eine erfolgreiche Künstlerin werden könne. Dieser Brief bildet die Grundlage für 10 Installationen in Selby Gardens.



Nach 10 Tagen intensiver Gespräche über die Vergangenheit, die Gegenwart und unser Leben der letzten 50 Jahre reiste ich weiter nach Fort Myers. Thomas Edison verbrachte den Winter mit seiner Familie und einigen Angestellten in Fort Myers. Die Häuser und Gärten können besichtigt werden. In dem weitläufigen Garten stehen grosse Gummibäume die Edison pflanzen liess. Er versuchte damit unabhängig vom Gummilieferungen aus dem Ausland zu werden. Das grosse Laborgebäude kann besichtigt werden. Edison war stolz auf seine pazifistische Gesinnung und dass er nie die Hand zur Waffenproduktion bot. Den ersten elektrischen Stuhl zur Vollstreckung der Todesstrafe entwickelte er trotzdem. Diesen elektrischen Stuhl habe ich im Museum nicht gesehen. In der Gärtnerei kann man viele Pflanzen kaufen.



Die Häuser auf dem Nachbargrundstück gehörten einige Jahre Edisons ehemaligem Angestellten Henry Ford. Im Museum und unter einem Unterstand stehen einige alte Autos, wie der Ford T. Leider sieht man keine Wohnungen oder Zimmer der einfachen Angestellten. Den Gegensatz hätte mich interessiert. Im Haus des Verwalters werden Bilder zum Verkauf ausgestellt. Ein Souvenirladen und ein Café befindet sich im Haus des Chauffeurs.


2 Nächte verbrachte ich auf dem Campingplatz des Koreshan State Park südlich von Fort Myers. Die Koreshans waren eine sektenähnliche christlich-utopische Gemeinschaft. Sie wurde von sieben Schwestern geleitet, die zölibatär in einem Haus zusammenlebten. Diese religiöse Gemeinschaft existiert heute nicht mehr.


Weiter südlich, rund um Naples, liegt die Region der grossen Villen. Ich fuhr Richtung Miami zum Big Cypress National Preserve mit einem Abstecher nach Chokoloskee Island. Ein alter Krämerladen ist heute ein privates Museum. Für mich ist es traurig zu sehen, wie alles verfallen ist und lieblos herumsteht. Vielleicht liegt es am Geldmangel, dass zu wenige Leute kommen und 5 Dollar Eintritt bezahlen.


Direkt neben einer wenig befahrenen Schotterstrasse finde ich eine ebene Fläche als Schlafplatz. Ausser dem Quaken eines Frosches und dem Donnern des abendlichen Gewitters hörte ich nichts. Schwärme kleiner Libellen umkreisten den Van. Am Morgen erkundeten riesige Heuschrecken die Vorderreifen. In dieser Gegend soll es auch Florida Panther geben. Die Chance, einen zu sehen, ist wohl vergleichbar mit einem Sechser im Lotto.


Mit einem kurzen Blick auf die Karte dachte ich, dass ich auf der Schotterstrasse weiter nach Norden zur Hauptstrasse kommen würde. Leider waren die letzten Kilometer bis zur Hauptstrasse gesperrt und ich musste einen 1 ½ stündigen Umweg fahren. Nach dem Big Cypress National Preserve wird das Land mit Rinderweiden und Zuckerrohrplantagen genutzt.


Der Lake Okeechobee war mein nächstes Ziel. Er ist der drittgrösste See der ganz in den USA liegt. Hätte ich vorher bei Wikipedia über den See gelesen, wäre ich nicht enttäuscht worden. Ein 6 m hoher Damm umgibt den See. Eine schöne Uferpromenade gibt es an diesem See nicht. Auch die Bootsrampe, an der ich übernachtete, liegt nicht direkt am See. Sie ist durch eine Schleuse mit dem See verbunden. Oben auf dem Damm genoss ich den weiten Blick über den See.


Frühmorgens kamen ein paar Fischer mit ihren Booten, sie störten mich nicht. Ein Fischreiher beobachtete 3 Fischer, sah aus wie wenn er auf sein Frühstück wartet. Auf der Weiterfahrt nach Norden wechselten sich Zuckerrohrfelder mit Orangenplantagen ab. 50% der in den USA konsumierten Zitrusfrüchte kommen aus Florida. Der grösste Teil der Orangenernte wird zu Saft verarbeitet.


Statt Disney World wollte ich in Orlando das Kunstmuseum besuchen. Vor der Stadt wurde der Verkehr so stockend und dicht, dass ich umkehrte. Für mich früh, das Museum schliesst um 16:00 Uhr. Weniger als 2 Stunden hätte ich mich darin umschauen können, das war mir zu kurz. Lieber etwas länger im Schatten der Bäume in der Nähe des Apopka-Sees verbringen. Das Navi führte mich mal wieder in die Irre. Fand dann doch den Weg zum Parkplatz am Clay Island Trailhead. Ein Schild warnt davor, dass zur Zeit die Alligatoren brüten und deshalb aggressiv reagieren, wenn man ihnen zu nahe kommt. Ich sah nur einen, der regungslos im Wasser lag. Gegen Abend und am nächsten Morgen kamen Leute und packten ihre Velos aus, um eine Tour durch das weitläufige Naturschutzgebiet zu machen.


Nur 70 km weiter war mein nächstes Ziel an einem kleinen See. In der Zufahrt zum See hingen die Äste sehr tief und es lag einiges an Müll herum. Kurzerhand entschied ich mich, 3 Stunden weiter zu dem Campingplatz Ocean Pond des National Forest an einem kleinen See zu fahren. Das war mein Ziel für den nächsten Tag. Eine gute Entscheidung, nicht nur wegen der warmen Dusche. Am Abend zog ein heftiges Gewitter durch und am Morgen regnete es ununterbrochen. Genau das richtige Wetter, um diesen Blog zu publizieren.

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