Von Hansueli auf Samstag, 02. November 2024
Kategorie: Nordamerika

Von den Rocky Mountains bis Küste von Oregon

Um alles für den Grenzübertritt in die USA vorzubereiten, blieb ich kurz vor der Grenze auf dem kommunalen Campingplatz in Milk River. Die US-Behörden sind sehr restriktiv, was die Mitnahme von Lebensmitteln angeht. Bei einem vollen Abfalleimer sehen sie rot. Wenn man es gewohnt ist, in Europa im Schengen-Raum zu reisen, fühlt man sich an der US-Grenze um 50 Jahre zurückversetzt. Erst einmal warten in der Autoschlange. Sogar das Auto vor mir stellte ab und zu den Motor ab. Das bedeutet etwas in Nordamerika. Immer wieder komme ich auf Parkplätzen an leeren Autos mit laufendem Motor vorbei. Ich habe ein B1/B2 US-Visum, das mich zur wiederholten Einreise berechtigt. Vorausgesetzt, ich kann den Grenzbeamten oder die Grenzbeamtin (CBP) davon überzeugen, dass es mir ein grosses Anliegen ist, in die USA einzureisen. Ob ich einreisen darf oder nicht, hängt von dieser Person beim CBP ab. Normalerweise bekomme ich das OK für einen Aufenthalt von sechs Monaten. Mein letztes OK (offiziell I-94) für sechs Monate war abgelaufen, ich brauchte ein neues. Jedes Mal fühle ich mich wie ein kleiner Bittsteller, der der Macht des CBP-Beamten oder der CBP-Beamtin ausgeliefert ist. Dieses Mal wurde der Van nicht durchsucht. Man glaubte mir, dass ich nur Zwiebeln, Knoblauch, Bananen und ein Stück Parmesankäse dabei habe. Nach 1 ½ Stunden konnte ich weiterfahren und darf die nächsten 6 Monate in den USA bleiben.



Die Landschaft im Nordosten von Montana ähnelt der von Alberta. Sie ist hügeliger, nicht mehr ganz so flach. Auf Nebenstrassen fuhr ich nach Cut Bank, dem «Coldest Spot in the Nation» mit einem grossen Pinguin am Ortseingang. Ich übernachtete auf einem relativ ruhigen Platz neben einem Spielplatz. Im nahe gelegenen Supermarkt füllte ich meinen Kühlschrank auf.


Im Naturschutzgebiet am Freezout Lake gefiel es mir so gut, dass ich gleich 3 Nächte blieb. Dort konnte ich schöne Spaziergänge machen. In dem Gebiet wird vor Bären gewarnt, aber ich bin keinem begegnet. Ausser einem Hasen und verschiedenen Vögeln sah ich keine anderen Tiere.



Der Missouri River bei Great Falls hatte früher 5 Wasserfälle. Jetzt wird das Gefälle durch Wasserkraftwerke genutzt und die Wasserfälle sind kaum noch zu sehen. Am Flussufer huldigt das Lewis and Clark Interpretive Center der Expedition zum Pazifik zwischen Mai 1804 und September 1806. Nachdem die USA im Jahr 1803 Louisiana (Louisiana Kauf) von Frankreich gekauft hatten, schickte der damalige US-Präsident Thomas Jefferson Meriwether Lewis und William Clark los, um das neue Land zu erkunden. Eine wichtige Rolle bei der Expedition spielte Sacajawea, eine Shoshone-Indianerin. Sie wurde im Alter von 10 Jahren entführt und später an den Pelztierjäger Toussaint Charbonneau verkauft. Beide begleiteten die Expedition.



In der Nähe von Lincoln befindet sich der Blackfoot Pathways: Sculptures in the Wild, ein Skulpturenpark in einem Wald. Zufällig sah ich das Strassenschild, weder bei Wikipedia noch in einem meiner Reiseführer ist der Skulpturenpark erwähnt. Die meisten Objekte sind aus Holz gefertigt. Seit 2014 werden jedes Jahr zwischen 2 und 5 KünstlerInnen für ein Projekt nach Lincoln eingeladen. Es sind sehr unterschiedliche Skulpturen zu sehen. Der grosse Strudel (Ponderosa Whirlpool) des Engländers Chris Drury, das Märchenschloss (Tree Circus) von Patrick Dougherty oder die filigrane Brücke (The Bridge) - wird sie aufgebaut oder fällt sie zusammen? - der Deutschen Cornelia Konrads sind zu bestaunen.



In Missoula, der zweitgrössten Stadt Montanas, besuchte ich zuerst das alte Karussell. Leider steht es eingezwängt in einem Gebäude, so dass seine alte Pracht nicht zur Geltung kommt. Am Strassenrand neben einem Einkaufszentrum verbrachte ich eine ruhige Nacht. Vor der Weiterfahrt musste ich erst einmal das bunte Laub von der Windschutzscheibe putzen.



Auf der Lolo Greek Road (Hwy 12) fuhr ich in Richtung Lolo Pass. Die Strasse schlängelt sich am Lolo Greek entlang. Vor dem Pass legte ich mich in das warme Wasser der Lolo Hot Springs. Das Bad macht einen etwas heruntergekommenen Eindruck. Es war sauber, aber der Beton und das Holz könnten einen neuen Anstrich vertragen. Überall auf der Strecke gibt es Gedenktafeln, die an die Clark & Lewis Expedition erinnern. Sie benutzten den Lolo Pass auf ihrem Weg zum und vom Pazifik. Nach dem Lolo Pass fand ich einen Platz am Lochsa River. Auch dort gefiel es mir und ich blieb 2 Nächte. Nach den langen geraden Strassen war das Fahren auf dem Hwy 12 eine willkommene Abwechslung. Zuerst entlang des Lolo Greek auf den Pass (1600m). Erst am Croked Fork, dann am Lochsa River entlang. Ringsum viel Wald mit wenigen Spuren von Waldbränden.



Bis kurz vor Lewiston führt die Strasse durch eine abwechslungsreiche Landschaft. Auf dem Columbia River und hinter Burbank auf dem Snake River können kleinere Seefrachter bis Lewiston fahren. Auf dem Wasserweg wird vor allem Getreide transportiert. Der Snake River bildet die Grenze zwischen den Bundesstaaten Washington und Idaho. Zum Übernachten wählte ich den kommunalen Campingplatz. Abends liefen Rehe über den Campingplatz.



Ohne gross nachzudenken wählte ich den nächsten Übernachtungsplatz. Ein Rastplatz entlang des Hwy 84 am Columbia River. Dass zwischen dem Rastplatz und dem Columbia River eine Eisenbahnlinie liegt, hatte ich auf der Karte nicht gesehen. Ich hörte den Hwy kaum. Auf der Bahnlinie herrschte reger Güterverkehr. Güterzüge mit hundert Waggons und fünf lärmenden Dieselloks fuhren dicht an mir vorbei. Für eine Nacht auf der Durchreise war es für mich zum Aushalten.



Ich musste nach Bend, wo ich den Van für den 60000km Service angemeldet hatte. Neben der Werkstatt konnte ich übernachten. So musste ich morgens nicht erst eine Strecke fahren, um den Van vor 8 Uhr abzugeben. An den vorderen Stossdämpfern musste ein leicht eingerissenes Kunststoffteil ersetzt werden. Ansonsten gab es nichts Ungewöhnliches.



Im Silver Falls Park gibt es 10 Wasserfälle. Der Campingplatz im Park ist wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Auf den Parkplätzen stehen Schilder, die das Übernachten verbieten. Am Rande des Parks fand ich einen Parkplatz ohne entsprechendes Verbotsschild. Kurz nach 19 Uhr klopfte es am Van. Ich war am Kochen. Eine Parkwächterin forderte mich auf zu verschwinden. Auch wenn es auf diesem Parkplatz kein entsprechendes Schild gebe, dürfe ich hier nicht übernachten. Es war ihr egal, dass ich am Kochen war. Spätestens in einer halben Stunde, um 19:37, müsse ich weg sein. Nach einer halben Stunde Fahrt später fand ich in der Dunkelheit einen ruhigen Platz in einem Wald. Am nächsten Tag hatte ich Glück mit dem Wetter für die Rundwanderung zu den 10 Wasserfällen im Park. An diesem schönen Tag waren einige andere Touristen in der Nähe der Parkplätze und der spektakulären Wasserfälle unterwegs. Auf den Zwischenstrecken und bei den kleineren Wasserfällen war ich fast alleine unterwegs. Bei 2 Wasserfällen führt der Weg in einem Felseinschnitt hinter dem Wasser entlang. Durch das herabstürzende Wasser blickt man ins Tal. Für die Nacht kehrte ich an die gleiche Stelle im Wald zurück. Am späten Abend setzte Regen ein, der den ganzen nächsten Tag anhielt. In 2 Tagen sollte ich im nahen Portland sein. Im strömenden Regen durch die Landschaft zu fahren erschien mir nicht attraktiv. Ich blieb den ganzen Tag bei den alten Bäumen stehen. In den kurzen Regenpausen spazierte ich durch den Wald. In der Nacht fing es an zu stürmen. Ich wachte auf, weil kleine Äste und Zapfen herunterfielen. Auf dem Dach sah aus wie eine Weihnachtsdekoration. Als ich weiterfuhr, lagen kleine Bäume und grosse Äste auf dem Waldweg. Ich hatte Glück, dass kein grosser Ast auf den Van gefallen ist.



In Portland hatte ich am Montag zwei Termine. Ich bestellte eine neue Matratze, die zur Abholung bereit lag. Nach knapp 1 ½ Jahren war die alte schon sehr durchgelegen. Sie hätten die alte Matratze zu einem für mich unverschämten Preis zur Entsorgung angenommen. Ich konnte die Matratze bei der städtischen Sammelstelle entsorgen. Danach holte ich einen robusten, vorkonfektionierten Teppich für den Wohnbereich im Van ab. Der Teppich wurde ohne Aufpreis verlegt. Durch den Teppich ist der Boden nicht mehr so kalt und das Klima im Van ist angenehmer.


Kristin und Achim aus Hamburg lernte ich in Kanada kennen. Sie schrieben mir per WhatsApp, dass sie an der Küste von Oregon sind und schönes Wetter haben. Wir trafen uns in Newport, schauten uns die vielen Seelöwen im Fischereihafen an und kochten zusammen Abendessen. Wie das so ist unter Reisenden, man trifft sich, hat eine gute Zeit und dann trennen sich die Wege wieder, bis man sich wieder sieht. Ohne die Reise würde man sich nicht treffen.


Vor der Weiterreise besuchte ich das Oregon Coast Aquarium. Die Unterwasserwelt fasziniert mich immer wieder aufs Neue. Ein grosser Teil des Aquariums befindet sich im Freien. Das kühle Regenwetter trübte den Genuss. Als ich alles gesehen hatte, hörte der Regen auf. Gut für einen Spaziergang zum Leuchtturm auf dem nahen Yaquina Head. Weiter nördlich parkte ich den Van an einer kleinen ruhigen Küstenstrasse oberhalb einer Bucht. Von unten hörte ich die brechenden Wellen, je nach Gezeitenstand klang es wie Donnergrollen. Der Regen prasselte mit wenigen Pausen auf das Dach. Manchmal liess eine Böe den Van erzittern.


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