Chacabuco über Chiloé nach Puerto Montt
Mit den erneuerten Visa wiederum für 90 Tage setzen wir unsere Reise ohne Zeitdruck fort und verlassen gemeinsam mit der deutschen SY Black Forest Chacabuco. Unseren Ankerplatz können wir nur mit berechneter Tide verlassen. Einige Untiefen sind sogar für die Dada Tux mit einem schwenkbaren Schwert zu gewissen Zeiten nicht passierbar.
Der Weg bis zur nächsten und letzten kleineren offenen Überfahrt nach der zweitgrössten Insel Südamerikas Chiloé, der „Boca del Guafo“, bringt uns zuerst nach Puerto Aguirre auf der kleinen Insel Las Huichoas. Beim Vorbereiten zum anlegen sehen wir im letzten Moment, dass wir auf einen kleinen Felsen zusteuern und nur die Geistesgegenwart von Hansueli mit einem Vollstopp rettet uns davor auf zu laufen. Mit Kuchen, Kaffee und Wein feiern wir zusammen mit Black Forest meinen Geburtstag.
Drei weitere Etappen stehen uns vor der „Boca de Guafo“ bevor und führen uns durch die nicht mehr so raue, leider mit vielen Fisch- und Muschelfarmen gespickte Gegend. Die Gezeitenströme sind sowohl bei der Fahrt sowie auch beim ankern nicht zu unterschätzen. Strom mit oder gegen uns bis zu 4 oder mehr Knoten sind schon ein Unterschied und vor Anker wird das Land, resp. das Wasser rund um das Boot bei Unterschieden zwischen Ebbe und Flut von 4-6 Metern mehr oder weniger. Die Landschaften sehen dann teilweise sehr unterschiedlich aus.
Chiloé und die kleinen Inseln zwischen dem Golfo de Corcovado, Golfo de Ancud und dem Festland, werden in der „Bibel“ (so wird der Nautical Guide für Patagonien und Tierra del Fuego von Mariolina Rolfo und Giogio Ardrizzi unter den meisten SeglerInnen genannt) als das schönste Segelrevier der Welt gepriesen. Landschaftlich lieblich mit grünen Weiden, sieht man Schafe, Kühe, einige Pferde und Ziegen.
Die hübsch geschwungen Hügelzüge erreichen kaum mehr als 800 Meter. Unzählige typische Holzkirchen von Chiloé lassen auf einen missionarischen Eifer schliessen.
Ein reger Fährverkehr besteht zwischen den einzelnen Inseln, oft werden diese jedoch nicht mehr als zwei Mal wöchentlich angelaufen und z.B. für 12 km direkte Linie benötigt das Kursschiff zwei Stunden.
Pelikane ziehen ihren Hals ein und fliegen im Tiefflug an uns vorbei, Seelöwen, Seehunde, Delfine, Schwarzhalsschwäne, diverse Enten- und Gänseartenarten, Ibisse, viele verschiedene Vogelarten wie z.B. der neckisch aussehende Martin Pescador oder der Austernpicker, sind oft unsere Begleiter und/oder erwarten uns am Ankerplatz. Das ist Balsam für die Seele und satt sehen ist kaum möglich.
Die Pazifikküste mit ihren Nationalpärken zieht besonders unsere Aufmerksamkeit an, segeln wir doch an der Ostküste nordwärts. Zeitlich verpassen wir die Kolonien der Humboldt- und Magellanpinguine die zwischen September und März dort brüten und ihre Jungen gross ziehen. Die vulkanischen Inseln sind jedoch auch so eindrücklich. Entlang des grosszügigen Sandstrandes sind neben vielen Algen, welche u.A. zu Agar Agar verarbeitet werden, zahlreiche Restaurants und Bootausflugsanbieter. Zur Zeit unseres Besuches (Mitte April) sind meisten geschlossen und wenige „Ausflügler“ sind anzutreffen.
Unterwegs treffen wir auf einige malerische Weiler. In dieser Gegend haben sich AussteigerInnen aus Santiago „zurück gezogen“ und der Umweltschutz ist ihnen wichtig. Sie setzen sich unter anderem für den Wald bestehend aus Südbuchen, Arrayanes (mein Lieblingsbaum), sowie Espinillos und Ulmos ein. Ist er einmal geschützt (als Kulturgut) darf er nicht mehr abgeholzt werden (offiziell!!).
Ein Besuch des Faros auf der Halbinsel Lacuy darf nicht fehlen. Ein grandioser Ausblick erwartet uns. Erstaunt bin ich, dass nicht nur ein, sondern einige, mit samt Familie, chilenische Armeemitglieder dort wohnen und einen Grossteil des zu Chile gehörenden Pazifikgebietes überwachen.
Nebst den vielen verschiedenen Eindrücken, ist meine Passion auf Chiloé das Brombeeren pflücken. Dieses wächst wie Unkraut und ergänzt unser Müesli mit Geschmack und Farbe auf ideale Weise.
Der Ostküste entlang fahren wir von Ancud bis Conchi. Dabei ziehen uns die Palafitos (oft farbige Strandhäuser auf Stelzen), sowie die Marktköchinnen besonders an. Die typischen chilotischen Holzkirchen finden wir leider verschlossen vor.
Zurück auf der Dada Tux entschliessen wir uns nochmals an die Westküste des Festlandes zu segeln und dabei verschiedene Insel(chen), Fjorde und eine Thermalquelle zu besuchen. Wegen Wind und Regen ankern wir in Puerto Bonito für zwei Tage. Ausser ein paar sehr arm selig wirkenden Hütten gibt es nichts. Eindrücklich, dass abends etliche Arbeitsboote einlaufen, sich mit dem Bug gegen den Fels legen, wo es vorbereitete Leinen gibt und sich mit dem Heck ebenfalls an einer (dünne) Leine vertäuen. So liegen sie bis zu dritt im Päckchen. Die kleinen Fischerboote widmen sich mehrheitlich dem Muschelfang. Ein oder zwei Taucher pro Boot holen, verbunden an einem längeren, meist gelben, an einem Kompressor befestigten Luftschlauch, unzählige Muschelsäcke ins Boot. Erstaunt hat mich vor allem, dass die Muscheln in Säcken hochgezogen werden. Da hatte ich eine ganz andere Vorstellung vom „freien“ Muschelfischen.
Ein wunderschöner etwa 3 nm langer enger Fjord, Estéro Quintupeu, fasziniert uns mit seinen zahlreichen von hoch oben herabstürzenden kleineren und grösseren Wasserfällen. Die mit Vorfreude heissen Quellen auf der Insel Llancahué geniessen wir bei milden Temperaturen und einem, für uns nicht üblich, üppigen Mittagessen im Badehotel, steigen den Fussweg hoch, teilweise durch dichtes Holz, zu drei Aussichtsplätzen mit einer grandiosen Sicht und besuchen, nicht auf Chiloé, die kleine offene Holzkapelle.
Frühmorgens geht es andern tags los und mit mehrheitlich Strom mit uns legen wir am 19. April Nachmittag in Puerto Montt, Marina Reloncavì, an.