Von Helen auf Sonntag, 17. Oktober 2021
Kategorie: Washington

Strasse Juan de Fuca, Westküste USA südwärts bis San Francisco

«Tuuth», «tuuth»…. tönt es alle zwei Minuten an unsere Ohren, ja – die Nebelhörner der Gross- und Kleinschifffahrt sind fleissig. Die Strait of Juan de Fuca ist nicht zu unterschätzen und nicht grundlos gefürchtet, vor allem für westwärts fahrende Schiffe. Der Westwind baut vom Pazifik die Wellen auf und den Segler erwarten Meter hohe Wellen auch ohne Wind. Je nach Strömung verstärkt sich der Spuk.
Von Port Angeles möchte ich kurz etwas für mich nettes berichten: uns gegenüber liegen viele kleine Fischerboote. Ein Name fällt mir auf, spanisch: Si-està («Ja – es ist» oder «Siesta»), was so eine sinnige Doppeldeutigkeit hat und mir sehr gefällt. Das «Bötli» ist zum Fotoshooting leider nicht mehr am Steg.



Die meisten Segler, so auch wir, suchen ein Wetterfenster, welches keinen Wind bis Neah Bay – 53 NM (Eintritt in den offenen Pazifik) anzeigt. Auch so schaukeln wir ganz schön in der Gegend umher, mal mit viel Nebel, dann hellt es wieder auf so dass wir bis nach Kanada sehen, verläuft doch die Landesgrenze Kanada/USA nicht ganz mittig des Wassers. Tieffliegende Flugzeuge scheinen die Boote zu kontrollieren. Neah Bay ist ein sicherer Ankerplatz um danach das Cape Flattery bei guten Bedingungen zu umrunden und endgültig auf den offenen Pazifik hinaus zu segeln. Trotz dichtem Nebel entschliessen wir uns unter Radar weiter zu segeln und uns an unsere ersten Nachtfahrt nach fast einem Jahr zu wagen.




Der meist achterliche Wind ist angenehm. Wir setzen unser Leichtwindsegel, den Parasailor, mit Spibaum. Zusammen mit der ungefähr 0,5 bis 1 kn Strömung segeln wir bei leichten Winden und ruhiger See südwärts. Mal scheinen die Sterne und die Milchstrasse über uns, kurze Zeit später sind wir im dichten Nebel und sehen, manchmal hören wir, knapp an uns vorbeifahrende Schiffe nur im Radar oder/und dem AIS. Der Nebel wird unser ständiger Begleiter sein, mal hinter, mal vor, mal über uns, mal rundherum, mal dichter, manchmal ebenfalls abwesend. Wir werden immer wieder begleitet von Walen und/oder Porpoises, ebenso fliegen die ersten Pelikane seit langem wieder um uns herum; immer ein Geschenk.




Die Herausforderung der Westküste USA sind die Hafen- resp. die Flusseinfahrten. Der schnell ansteigende Meeresspiegel und die vorherrschenden Westwinde verunmöglichen bei schlechten Wetterbedingungen die Einfahrt. Die meisten Häfen haben eine Schwelle wo sich die Wellen hochschaukeln und es auch ohne Wind sehr ungemütlich werden kann. Je nach Situation sind die Häfen für kleinere und mittlere Schiffe geschlossen. Lichtsignale und/oder verschiedene Farben bei der Einfahrt weisen auf Gefahren hin. Es heisst also günstige Bedingungen für das Segeln auf offenem Meer zu finden, wenig oder keinen Wind bei der Einfahrt in die Flussmündung zudem die richtige Strömung und für die nächste Etappe soll es die umgekehrte Reihenfolge ein.




Unsere erste Etappe (220 NM) führt uns nach Astoria (Grenze Washington/Oregon State), in den Columbia River. Majestätisch, dieser bis zu 8 km breite Gigant mit eindrücklichen Brücken, der Astoriasäule auf dem Coxcomb Hügel mit einem phantastischen Rundumblick, einer hübschen viktorianischen Innenstadt und Uferwege zum verweilen. In der Marina von Astoria werden wir darauf hingewiesen, dass wir unbedingt die nächste günstige Gelegenheit nutzen um los zu kommen. Es hätten schon Schiffe den ganzen Winter über bleiben müssen wegen den schlechten Wetterbedingungen. Also nichts wie los – ca 190 NM bis zum Coos Bay Fluss. Dort machen wir in Charleston fest. Melissa, Mick und Jake erwarten uns, Bekannte die wir auf den Galapagosinseln kennen gelernt haben. Sie versorgen uns nicht nur mit «Speis und Trank» sondern mit vielen Tipps was wir auf dem Land in Oregon sehen können. Eine gute Woche sind wir mit dem Auto unterwegs. Die Waldbrände haben grossen Schaden angerichtet, einen haben wir wüten gesehen. Im einzigen Nationalpark von Oregon sind wir vom Crater Lake, dem weltweit tiefsten von Vulkanaktivität geformten See, überwältigt. Nicht weniger imposant sind die Smith Rocks. Man sagt dass das die Geburtsstätte des Sportklettern ist. Im High Desert Museum in der Nähe von Bend lernen wir Flora und Fauna ebenso wie die Lebensbedingungen der Siedler aus dem 18./19. Jahrhundert kennen. Von Portland, der grössten Stadt in Oregon hören wir viel positives. Kulturell angeregt, viele Grünflächen, eine Altstadt zu der die historische Chinatown zählt….. Durch die vor gut einem Jahr heftigen Demonstrationen in der Innenstadt sind einige Gebäude verriegelt und in Mitleidenschaft gezogen. Ebenfalls die wieder zunehmenden Fallzahlen von Covid hinterlassen einen leicht bitteren Beigeschmack. Museen sind teilweise geschlossen ebenso sind viele Veranstaltungen für Theater und/oder Konzerte abgesagt. Die geöffneten Restaurants offerieren meistens «take awy» oder «outside dining», vereinzelt kann in Innenräumen gegessen werden.




Oregon hat, trotz dem aktuellen Wassermangel, viele reizvolle Wasserfälle und heisse Quellen. Leider fällt unser Besuch wegen gesperrten Strassen nicht ins Wasser sondern ins «Feuer». Darlingtonia ist kein Ort sondern eine Fleisch fressende Pflanze die wir in Küstennähe kennen lernen. Eindrücklich hohe mit feinstem Sand geformte Dünen, schroffe bizarr geformte Klippen entlang der Küste runden unsere Reise ab.
Eureka (Humboldt River) ca 180 NM von Coos Bay entfernt nehmen wir als nächste Etappe unter den Kiel. Eine weitere Nachtfahrt steht uns bevor. Das Gross setzen wir in der Ausfahrt, so sind die Wellen berechenbarer. Eine vorerst angenehme Fahrt mit achterlichen Winden welche jedoch in der Nacht deutlich zunehmen und in den Böen bis knapp 40 kn erreichen. Wir setzen ein zweites Reff sowie die Backstage zur Entlastung des Mastes und lassen die Wellen unter uns durch gleiten. Die Spitzengeschwindigkeit wird mit 15.8 kn angeben, vermutlich als wir eine Welle hinuntersausen. Gut 4 Stunden vor der berechneten ETA machen wir bei dichtem Nebel im Hafen fest. Kurz darauf löst sich dieser auf und wir sehen die Landschaft und die vielen Seehunde welche im Hafenbecken schwimmen und uns mit grossen Augen anschauen. Gut reservieren wir vorab einen Liegeplatz in der Woodley Island Marina. Diese ist vorwiegend von lokalen Fischerbooten belegt, was wir seit Alaska im Sommer 2020 kaum anders kennen und einen eigenen Charme hat. Oft sind wir das einzige ausländische Segelboot. Bei einem Schwatz erfahren wir einiges über den Fischfang und sie einiges über uns. Sehr berühmt ist diese Gegend für die Redwoods und bei einem Redwood Sky walk bestaunen wir die Grösse und Schönheit dieser Riesen.




Mit dem Tidenstrom und wenig Wind fahren wir zum offenen Meer, unserem nächsten Ziel Bodega Bay entgegen. Es erwarten uns über längere Zeit 4 Meter hohe Wellen, ein «Übrigbleibsel» von dem vorangegangen starken Südwind später jedoch geniessen wir schönes Schmetterlingssegeln.




In der Bodega Bay siedelten sich Anfang 1900 Jh Russen an. Wunderschöne Natur, ein angenehmes Klima erwarten uns ebenso wie kalifornische Seelöwen auf dem Steg. Beim Dünen wandern sehen wir zum ersten Mal weisse Pelikane, zu hunderten zusammen stehend neben einer ebenfalls grossen Gruppe von braunen Pelikanen die sich jedoch nicht vermischen.




Bis zur Golden Gate Bridge fehlen uns gegen 60 NM. Gemäss Tidenberechnung müssen wir gegen 11 Uhr bei der Brücke sein. So entschliessen wir uns eine kurze Etappe bis Drakes Bay (eine wunderschöne von Felsen umgebene geschützte Bucht, zu segeln, um andern tags die Brücke zur «richtigen» Zeit zu passieren. Mit dem schon vertrauten dichten Nebel holen wir den Anker um 7 Uhr morgens auf. Zwei Stunden später lacht uns die Sonne entgegen, wir sehen die steile Küste und hoffen dass sich das Wetter hält. Ein paar Meilen vor der Brücke, wir sehen schon die Pfeiler, kommt innerhalb weniger Minuten dichter Nebel auf. Die Frachter und Tanker lassen ihre Nebelhörner ertönen, die Tonnen heulen ebenso wie die Brücke, gespensterhaft und mystisch zugleich (ich mit mulmigen Gefühl) passieren wir eine der berühmtesten Brücken der Welt. Es erstaunt nicht, dass einige Entdecker lange Jahre den Eingang nicht fanden. Am frühen Nachmittag machen wir in Emery Cove Marina bei besseren Sichtverhältnissen fest. In und um San Francisco gibt es zig lohnenswerte Ausflüge, Parks, Museen... zu besichtigen. Die Auswahl ist individuell und hängt ab von Interesse, Zeit und Geld. Das ÖV System rund um San Francisco Bay ist lobenswert ebenso wie deren Abfalltrennung.



Langfahrtsegeln scheint nicht ohne kleinere und grössere Herausforderungen zu gehen. So verliert unser internes Kühlwassersystem unserer Meinung nach zu viel Flüssigkeit, trotz (oder gerade wegen) des erst in Bellingham (vor 3 Monaten) gemachten grossen Motorservice durchgeführt von einem Volvo Penta Spezialisten. Alle «guten» Mechaniker in der SF Bay sind über Wochen ausgebucht, überlastet…. Evtl. haben wir Glück mit Eric. Er arbeitet gerade gegenüber an einer grossen Motoryacht. So bleiben wir vorerst hier und sind auf stand by in der Hoffnung dass sich ein kleines Zeitfenster für uns öffnet und wir nicht nur auf «Godot» warten.

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