Von Helen auf Freitag, 12. April 2019
Kategorie: Chile

Von „Eden“ nach Puerto Chacabuco

Vier Segelboote in Puerto Edén, eine Seltenheit. Zwei Deutsche Yachten, Black Forest und St. Michel sowie zwei mit Schweizer Flagge, Kama* und Dada Tux. Puerto Edén ist nach einigen Wochen „Einsamkeit“ in den verwinkelten Kanälen, Inseln und Buchten von Patagonien die erste Siedlung welche wir anlaufen. 180 Einwohner, ein viel zu grosses Schulhaus, einige kleine Läden, eine Kirche, ein Fussgänger Holzsteg der um das ganze Dorf führt ein paar Fischerboote und nicht zuletzt gibt es hier ab und zu Internetempfang. Ein Mal pro Woche (am Sonntag) kommt ein Frachter von Puerto Montt, ankert vor der Bucht, bringt etwas frisches Obst und Gemüse, auf Bestellung andere Sachen. Der Ort ist idyllisch von vielen kleinen lieblichen Inseln umgeben. Fischer bringen verhältnismässig teuren Diesel in Kanistern an Bord.



Von Puerto Edén gilt es die Tide für die Angostura Inglesa richtig zu berechnen. Diese strömt mit einigen Knoten durch die enge Stelle. Für kurze Zeit, da die drei anderen Schiffe vor uns weiter reisen, sind wir alleine. Doch schon bald legt Threshold aus den USA neben uns an. Gemeinsam legen wir andern tags ab, ankern in der selben Bucht, besuchen gemeinsam den Seno Iceberg und ankern abends wiederum am selben Ort.




Der Seno Iceberg ist unsere erste Begegnung mit einem bis ans Wasser reichenden kalbenden Gletscher (Glaciar Tempanos). Auf Grund ungünstiger Wetter Verhälntissen können wir die vorgängig geplanten Gletscher nicht besuchen. Umso grösser ist unsere Freude, dass es diesmal klappt. Das Wetter zeigt sich von der guten Seite und mit fast Windstille tanzen uns die Eisstücke nicht allzu sehr um die Nase, resp. um den Bug. Farben und Formen des Gletschers sowie von dem schwimmenden Eis sind einzig artig und ein jedes ein Kunstwerk für sich.


Der Golfo de Peñas, ein offenes etwa 120 nm langes Stück im Pazifik, berüchtigt und gefürchtet wegen seiner Wellen, dem oftmals starken westlichen Winden, welche die Schiffe auf Legerwall treiben, rückt näher. Neben dem täglichen Abrufen der Wetterverhältnisse über das Satellitentelefon informieren wir uns beim Leuchtturmwärter vom Faro San Pedro. Mit raumem Wind und nicht zu hohen Wellen segeln wir die gesamte Strecke, tauchen bei der „Anna Pink“ wieder in die Inselwelt ein.




Bei blauem Himmel und angenehmen Temperaturen verbringen wir einen Ruhetag in Puerto Millabu am Strand und klettern dem Wasserfall entlang hoch um über die eindrückliche Bucht zu schauen. Ein Entscheid liegt an: wollen wir den „Umweg“ über den Arm von Estéro Elefantes, Golfo Elefantes in die Laguna San Rafael wagen. Ventisquero San Rafael ist der weltweit einzige grosse Tidengewässer Gletscher der südlichen Halbkugel der sich so weit nördlich (46°S) befindet. Auf der Nordhalbkugel würde das ungefähr entsprechen wie wenn man am Lago Maggiore kalbende Gletscher bewundern könnte. Die Einzigartigkeit des Gletschers und die günstigen Wetterbedingungen erleichtern uns den Entscheid. Es gilt einige enge Stellen bezüglich der Tide gut zu berechnen, d.h. für uns wir nehmen den Anker bei Dunkelheit hoch und fahren die ersten Meilen mit Radar und unserem Track vom Vortag in die Finsternis. Bald beginnt die Dämmerung und wir gelangen als einziges Schiff (es hat oft Ausflugsboote) in die Laguna. Die Sonne zeigt sich, Delfine begleiten uns und wir geniessen die Schönheit dieses Ortes in vollen Zügen.




Nach dem Golfo de Peñas verändert sich die Landschaft, die schroffen Felsen, engen „Caletas“ manchmal kahl, manchmal üppig grün bewachsen, machen sanfteren Landschaften Platz. Meistens können wir frei ankern und jetzt wo wir an das Landleinen legen gewöhnt sind, brauchen wir sie kaum mehr.


Eine für mich recht störende Erneuerung kommt hinzu. Mehr und mehr Fischzuchten sind zu sehen. Viele davon sind im Besitze von Norwegern. Durch strengere Bedingungen im Norden wurden Teile der Fischzucht nach Chile ausgelagert. Ein Grossteil der Chilenen in diesen Gebieten ist arbeitsmässig davon abhängig. Als kleines Beispiel dazu ein „fatamorganisches“ Erlebnis: Für die eine Nacht wählen wir die Caltea Christiane im Canal Costa aus, gross, ruhig, hübsch mit einem eindrücklichen Wasserfall bestückt. Kurze Zeit später legt sich ein Arbeitsschiff zu uns und vertäut sich an schon vorhandenen Leinen. Mit einem Dinghi besuchen uns zwei Arbeiter, fahren uns zum Wasserfall und besichtigen anschliessend mit grossem Interesse unser Schiff. Sie arbeiten für verschiedene Salmoneras, tauchen um die Befestigungen am Grund anzubringen, arbeiten 20 Tage ohne Unterlass und haben dann die nächsten 20 Tage frei. Mit Zigaretten, Bier und Kugelschreiber von der Dada Tux, kehren sie zurück auf ihr Arbeitsboot zurück. Bei Dunkelheit leuchten Lichter auf, es kommt nochmals jemand. Das Schiff schleppt hinter sich ein Fischzuchthaus; es wird rangiert und morgens finden wir uns gegenüber ein neues Haus.

Puerto Chacabuco, unser nächstes Ziel, laufen wir an weil wir einen Ausflug nach Argentinien machen (müssen) um unsere chilenischen Visa zu verlängern. Die SY Black Forest mit Bernhard und Werner die wir in Puerto Edén getroffen haben liegen ebenfalls vor Anker. Auch sie sind aus dem selben Grund hier.



Die Landreise führt uns nach Coyhaique mit einer Übernachtung, weiter nach Puerto Ibanez mit der Fähre über den zweitgrössten südamerikanischen See. Der chilenische Teil heisst Lago General Carrera, der argentinische Teil Lago Buenos Aires, nach Chile Chico. Dort nehmen wir einen Bus über die Grenze nach Los Antiguos und kehren mit einem erneuten 90 Tage gültigen Visa zurück. Dieser Ausflug gibt uns wiederum einen Einblick und Eindruck vom Landesinnern, einer viel trockeneren Gegend von Patagonien. Chile Chico mit seinem Microklima wie eine Oase gilt als die ewige Frühlingsstadt mit Kirsch- und vielen Obstanbauten.




Beim Grenzübergang stossen wir auf die Crew von SY Pikaïa, mit Manu, Gaëlle mit Söhnen Renand und Jules. Ihr Schiff ist wegen Unterhaltsarbeiten immer noch in Buenos Aires und so reisen sie mit dem Auto durch einen Teil Argentinien und Chile. Welch Zufall – und so sitzen wir bald mit ihnen, Werner und Bernhard von Black Forest in der Dada Tux bei einem gemütlichen Essen und Austausch.

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