In Puerto Montt angekommen mieten wir für gut 2 ½ Wochen ein Auto. Dies ist nicht ganz einfach weil das Überqueren der Grenze mit einem Mietauto so seine Tücken hat, teuer ist und es muss 7 Tage vor Übernahme des Autos bestellt werden. Wir bestellen kurz vor Ostern und weil wir unterwegs keinen Internetempfang hatten sind wir einen Tag zu spät mit dem Übermitteln der Pass- und Führerscheinkopien. Bestätigt bekamen wir das gewünschte Datum als Abholtermin für das Auto auf dem Flughafen, das nötige Dokument für die Grenzüberquerung jedoch einen Tag später. Auch nach einem längeren Telefongespräch gibt es keine Möglichkeit das Mietdatum einen Tag nach hinten zu schieben, was möglich ist, ist einen Tag die Automiete zu verlängern.
So wählen wir für den ersten Tag die Seen Region etwas nördlich von Puerto Montt, erkunden den Lago Llanquihue und den Lago Todos los Santos, vorbei an üppigen Alerce, Roble-, Arrayanes-, Lorbeer- und Rauliwäldern. Es befinden sich ebenfalls vier Vulkane in dieser Region, einer davon ist der königliche Osorno. Eine lohnenswerte Fahrt, wo sich im Winter die alpinen Sportler einfinden, wie an anderen Orten in dieser Gegend, sowohl auf chilenischer wie auch auf argentinischer Seite. Der Himmel ist verhangen doch ab und zu klart es oberhalb des Nebelmeeres auf. In dieser Gegend liessen sich ab dem neunzehnten Jahrhundert viele Deutsche nieder. Der Ort Puerto Octay ist einer der ersten deutschen Siedlungen von Wichtigkeit. Heute hat der Ort seinen Glanz verloren, neue Verkehrswege lassen das Dorf aussen vor. Der Parque Nacional Vicente Pérez Rosales, zu dem die Seen Region gehört, wird 1926 zum ersten Nationalpark Chiles ernannt und wird mit dem Yosemite Nationalpark verglichen. Dieser „zusätzliche“ Tag freut uns (im nach hinein) und auf dem Rückweg holen wir im Flughafen die Papiere für die diversen Grenzüberschreitung ab.
Auf der Carretera Austral wollen wir südwärts, zurück in die Kälte. Die Autostrecke wird am ersten Tag durch drei Fähren unterbrochen bis wir bei der Caleta Conzalo wieder von Bord gehen und noch einige Kilometer weiter südwärts bis La Junta fahren. Der malerische Ort Puerto Puyhuhuapi am Ende eines wunderschönen Fjiords hätte uns besser gepasst. Hochsaison ist jedoch im Januar / Februar und schon gegen Ende März gibt es weniger offene Unterkünfte und Restaurants. Unsere Reise dauert vom 25. April bis 12. Mai und das heisst wir müssen Orte wählen, wo wir (fast) sicher sind, ein Bett und Essen zu finden.
Der erste Grenzübertritt von Chile nach Argentinien findet beim Flughafen Balmaceda statt. Dort finden wir erstaunlicherweise die Grenzkontrollen beider Länder im selben Gebäude (Argentinien und Chile streiten immer noch um gewisse Grenzgebiete und sind in der Regel nicht besonders gut aufeinander zu sprechen). Bei jedem Grenzübertritt erhalten wir einen Laufzettel von in der Regel 1-4. Ein Stempel bedeutet o.k.. Oft werden, neben Beamten, Hunde zur Kontrolle der Autos eingesetzt.
So holpern wir nach bestandener Überprüfung Kilometer lang über unebene, löchrige Naturstrassen, das reinste, etwas masochistische, Massageprogramm, sowohl für uns wie für das Auto. Die riesige, einsame flache Steppe die uns erwartet ist eindrücklich. Wir begegnen kaum einem Auto, wenn dann eher Lastwagen, vereinzelte durchtrainierte wettergegerbte FahrradfahrerInnen, unzähligen Guanacos, Nandus, Füchsen, Hasen, 1 ½ Gürteltieren (½ weil wir uns nicht sicher sind was es ist), Kondoren, Karakaras (Geierfalken). Kurz vor Puerto Natales passieren wir zum zweiten Mal die Grenze um in die Provinz Magallanes und dort nach Puerto Natales und Torres del Paine zu gelangen. Die Landschaft ist sehr abwechslungsreich, Südbuchenwälder verweben sich mit Graslandschaften, Fjorden, vielfarbigen Seen, Hochgebirge und Gletschern. Ob der Torres de Paine zu den Anden gehört scheint etwas umstritten zu sein. Das ändert jedoch nichts an seiner unbestritten einzigartigen Schönheit und Vielfalt.
Auf dem Weg besuchen wir die Cueva del Milodòn, wo 1896 der deutsche Kapitän Eberhard die Überreste eines sehr gut erhaltenes Riesenfaultier gefunden hat. Leider sind sie mehrer tausend Jahre ausgestorben. Vielfältig sind die Wandermöglichkeiten im Nationalpark. Wir „besteigen“ den Mirador Condòr ohne dort Kondore, dafür jedoch einen so ungestümen Wind anzutreffen, dass wir unsere Bodenhaftung fast verlieren. Die Nacht verbringen wir im Nationalpark in einem der wenigen Hotels, Hotel Lago Grey, die offen sind und bezahlen in der Nebensaison für ein Standarddoppelzimmer 180 US$ die Nacht. Zu sagen ist jedoch, dass das Hotel sich sehr gut in die Landschaft integriert und von aussen überhaupt nicht auffällt.
Schlag auf Schlag folgen die Highlights dieser Gegend. El Calafate (jetzt sind wir wieder in Argentinien) mit dem Gletscher und gleichnamigen Berg Perito Moreno. Franciso Pascasio Moreno (1852-1919) hat besonders die Flora und Fauna Patagoniens erforscht und sein Name ist oft präsent. Der Gletscher ist der „Star“ der Gegend und von einer majestätischen Schönheit. Er ist eine Endzunge des riesigen Eisfeldes Hielo Continental Sur. Mit einem Katamaran fahren wir nahe an den Gletscher heran und bestaunen seine Grösse, die vielen einzelnen „Spritzsackspitzen“ und die Intensität der verschiedenen Gletscherfarben. Dazwischen donnert und kracht es immer wieder, meistens sind unsere Augen und vor allem der Fotoapparat am „falschen“ Ort um das Kalben zu sehen. Verschiedene „Spazierwege“ führen am Gletscher und hauptsächlich von Südbuchen bewachsenen Landschaft vorbei und erfreuen uns immer wieder mit den sich verändernden Blickwinkeln.
Entlang den Ufern des Lago Argentino spazieren wir erst zur Laguna Nìmez mit rosa Flamingos und anderen Zug- und Wasservögel bis zur Punta Walichu. Dort befinden sich eine Reihe Grotten mit über 4000 Jahre alten Höhlenmalereien die uns etwas über die Geschichte der Ureinwohner erahnen lassen.
Die grandiose Berglandschaft des Fitz-Roy-Massivs empfängt uns in El Chaltén. Die eisverkrusteten Granitnadeln des Fitz Roy (3445) ziehen jährlich SpitzenkletterInnen aus der ganzen Welt an; auch uns, ohne „Spitze“ zu sein. Wir „erklimmen“ den Mirador de los Condòres, den Mirador de las Aguilas und am nächsten Tag wandern wir zur Laguna Capri. „Belohnt“ werden wir mit traumhaft schönen Landschaftseindrücken, wolkenlosem Himmel. So haben wir die eher seltene Gelegenheit den „El Chaltén“ (rauchspuckender Berg), wie der Fitz Roy bei den Ureinwohnern, den Tehuelche, hiess in seiner Ganzheit von unterschiedlichen Seiten bewundern zu können.
Nach einem weiteren Tag Autofahrt auf der Ruta 40 durch die patagonische Steppe suchen wir in Baja Caracoles ein Zimmer, einem kargen, fast verlassen aussehenden Ort mit einer Tankstelle, zwei drei anderen Häusern und einem „Hotel“. Im Hotel befindet sich zugleich eine Art Tante Emma Laden, wo man von Kleidern über Pferdeköpfe zum aufhängen, Nahrungsmitteln, Salben, Getränke, (fast) alles bekommt. Der Laden ist zugleich ein Bar/Restaurantbetrieb. Auf alle Fälle erhalten wir als einzige Gäste ein kleines Zimmer mit unverbauter Aussicht über eine riesige Steppenlandschaft und Guanacoherden. Das Fenster können wir nicht öffnen, es ist zugenagelt, damit der Wind etwas weniger durch die Ritzen pfeift.
Cueva de las Manos ist unser nächstes Ziel. Wie eine Oase zieht sich ein sattgrünes Flusstal, Canòn del Rio Pinturas durch die Landschaft und führt uns zu der weltberühmten Höhle (Unesco Weltkulturerbe). Erstaunlich gut erhaltene Zeichnungen aus drei verschiedenen Zeitepochen, von ungefähr 13000 bis etwa 1300 v.Chr. können wir bestaunen. Über die Bedeutung der Malereien wird spekuliert, weniges ist klar, jedoch auch so sehr eindrücklich. Mit einem Stempel im Pass verlassen wir die Höhle.
Es folgen nochmals viele Kilometer durch die Steppe mit einigen wenigen Estancias, die sich wie Oasen von der trockenen öden Landschaft abheben.
Nordwärts fahrend nähern wir uns der „argentinischen Schweiz“, einer herrlichen Naturlandschaft inmitten zweier Nationalparks. Ortsnamen wie „Bariloche“, „Villa La Angostura“ sind in Argentinien etwa so bekannt wie bei uns St. Moritz oder Zermatt. Sommer- und Wintertourismus wird gross geschrieben. Da wir in der Zwischensaison ankommen haben wir die ganze Landschaft und die Dörfer für uns bei immerhin noch etwa 10° Celcius und kaum Regen. In Villa La Angostura sehen wir per Zufall einem „Holzfällerwettbewerb“ zu. Zwei Disziplinen, das Durchtrennen eines Baumstammes mit der Kreissäge und das Durchtrennen mit der Axt sind angesagt, mit jeweils 5 Finalisten. Es freut uns diese einheimische „Sportart“ als ZuschauerIn miterleben zu dürfen.
Ein letztes Mal überqueren wir die Grenze von Argentinien nach Chile wo wir in die „chilenische Schweiz“ gelangen, so zu sagen das Pendant zur argentinischen Schweiz; ein Reich der Seen, Flüsse, Berge, Wälder und saftigen Weiden, Viehherden. Dies lässt mich einstimmen an den schon bald bevorstehenden „Heimaturlaub“.
Zurück in Puerto Montt werden wir von Rita und Dani, SY Maramalda mit einem leckeren Nachtessen erwartet. Die Gelegenheit zu haben, Länder, Regionen, Menschen über den Meer-, und auf dem Landweg kennen lernen zu dürfen erachten wir als grosses Privileg.