Wir freuen uns auf die immer noch recht starken Nordwinde, denn von nun an geht es südwärts. Die erste wieder südwärts gehende Etappe geht von Santa Rosalìa bis Topolabampo, eine Strecke von gut 210 NM. Diese Distanzen lieben wir nicht sonderlich. Wenn immer möglich wollen wir bei Tageslicht ankommen. Da der Wind nie ganz genau berechnet werden kann und so ebenfalls nicht die Segelgeschwindigkeit berechnen wir in der Regel grosszügig. Wir lassen die Leinen um 03:00 los. Es wird eine schnelle Fahrt mit einem Etmal von170 NM trotz Reff 2 und gereffter Genua. Die Kreuzsee und die kurzen Wellenperioden sind unangenehm. Die Einfahrt nach Topolobampo ist eine etwa 8 NM ausgebaggerte Seestrasse und wir machen die Dada Tux im Hafen fest. Die Marina Palmira ist vorwiegend von einheimischen Motoryachten belegt. Mit uns liegen 3 «fremde» Segelschiffe im Hafen; die beiden anderen Paare segeln im Winter in dieser Gegend umher und im Sommer sind sie mit einem WoMo (Wohnmobil) in den USA und Kanada unterwegs.
Von Los Mochis, dem nächsten Ort, fährt der fast Welt bekannte Zug «Chepe» nach Chihuahua (Ferrocarril Chihuahua Pacifico). Oft sind Reservationen im voraus nötig. Auch wir erhalten nicht am gewünschten Tag ein Billett sind jedoch mit der Anfahrt am Montag und Rückreise am folgenden Sonntag zufrieden. Unsere Reise soll bis Creel gehen etwa 350 km von Los Mochis entfernt, einer der grössten Orte in der Hochlandregion der Kupferschlucht. Von dort sind geführte oder auf eigene Faust, Ausflüge, zu Fuss, zu Pferd, mit dem Fahrrad oder mit dem Auto möglich, Flüsse, Schluchten, Wasserfälle können bewundert werden. Das Gebiet ist 4x grösser als der Gran Canyon in Arizona. Gerne wollen wir über die Raràmuris, welche in der Sierra de Tarahumara angesiedelt sind mehr erfahren.
Von Seglern erhalten wir die Empfehlung uns im Hotel «Troje de Adobe» (Kornspeicher aus Lehmziegeln) und mit dem Besitzer Memo, die Führungen zu buchen. Aus familiären Gründen ist Memo nicht anwesend. In David, einem 81 jährigen Führer, der die Gegend wie seine Westentasche kennt und viel zu erzählen weiss finden wir einen guten «Ersatz» für drei Tage. Am letzten Tag ziehen wir mit dem 24 jährigen Felipe, einem Raràmuri, los um in eine Schlucht mit Thermalquellen zu gehen und nochmals etwas mehr über die Ureinwohner zu erfahren.
Raràmuri heisst «leichter Fuss» und zeugt von ihren Eigenschaften über Stunden, Tage in dieser Hochlandregion zu gehen und / oder zu rennen. So jag(t)en sie ihr Wild, rennen hinter ihm her bis es ermüdet und sie es fangen können. Sie lebten oft in Höhlen, heute leben sie in oft grossen Gemeindegebieten zerstreut in einfachen Steinhäusern mit Wellblechdächern. Frauen und Mädchen tragen meist traditionelle Kleider, Männer und Jungs selten. Die benötigte Stoffmenge für einen Rock beträgt 7 Meter für die Frauen aus der Sierra Tarahumara alta, 4 Meter aus der Sierra Tarahumara baja. Das meist angefertigte Handwerk sind geflochtene Körbe. Für die Farben legen sie die Gräser in Crêpepapierwasser (was vor dem Crêpepapier war weiss ich nicht).
Die Gemeinden werden demokratisch verwaltet per Abstimmung aller werden Entscheidungen getroffen. Sie sprechen mehrheitlich Raràmuri, jedoch auch spanisch. Es gibt spezielle Schulen für die Raràmuris. Wie viele Raràmuris es gibt weiss mir niemand genau zu sagen. Die Bevölkerung in dieser Gegend besteht aus Raràmuris, Mestizen und «Weissen», wie sie sagen. Von den unzähligen Eindrücken dieser 5 Tage bleiben in Erinnerung: das Museum (Museo de Arte Popular de Chihuahua) in Creel, welches einen guten Einstieg in die Geschichte dieser Region gibt. Der Parque de Aventura Barrancas del Cobre bietet nicht nur für sportliche, Adrenalinausstoss suchende AbenteurerInnen etwas. Mit der aus der Schweiz kommenden Luftseilbahn fährt man zum Schluchtenrand um die spektakuläre Aussicht zu geniessen und wandert auf markierten Wanderwegen zu Höhlen, zu Aussichtspunkten, zu Begegnungen mit Einheimischen zu Fuss oder zu Pferd. Um zu Mexikos höchstem ganzjährigen Wasserfall (246m fällt das Wasser hinunter) la Cascada de Basaseachi, zu gelangen, fahren wir 140 km in nordwestlicher Richtung, hinauf bis 2700 Meter, durch Pinienwälder, teils fruchtbare Gegenden. Sogar Schneereste liegen am Strassenrand. Natürlich ist der Wasserfall in der Trockenzeit ein «Wasserfälli» nichts desto trotz beeindruckt er uns.
Zurück in Topolabampo erwartet uns am Wochenende des Karnevals und wir entschliessen uns etwas länger zu bleiben. Einige wenige Gruppen zu 4-5 Personen sind unterwegs mit Schellen an den Beinen, Hörnern auf dem Kopf und führen einen traditionellen Karnevalstanz auf, deren Bedeutung ich jedoch nicht genau weiss. Fälschlicherweise verstehen wir, dass am Samstag der Tag der Tage ist, was jedoch erst am Sonntag mit Umzug, Kostümprämierungen, Folkloretänzen der Fall ist. Strassenstände werden entlang der Mole aufgestellt und es gibt allerlei unbekannte Köstlichkeiten zu versuchen, so z.B. frisch gemachte Kartoffelchips mit einer süsssauren scharfen Sause mit gekochten kleinen Orangen samt Schale und Zwetschgen.
Wir entscheiden uns am Sonntagabend weiter zu segeln, da gute Windverhältnisse herrschen. Alles ist bereit und wir sind schon fast am Leinen los binden, da erreicht uns die Nachricht, dass der Hafen von der Capitaniade Puerto gesperrt ist, d.h. wir dürfen nicht auslaufen. Topolabampo liegt in einer Laguna mit einer langen, schmalen sandigen und wenig tiefen Einfahrt. Kommt der Wind aus Norden bauen sich die Wellen quer zu Einfahrt auf, so auch dieses Mal und mit 3 Meter hohen seitlichen Wellen bei keiner Möglichkeit eine andere Richtung ein zu schlagen ist dies alles andere als lustig. Wir «fliegen» auch zwei Tage später nach Mazatlan. Leguane begrüssen uns am Ufer. Hier begegnen wir wieder «Catweazle» aus England mit einer Allures 45. Auf einem Schweizerboot mit schweizerisch taiwanischer Crew treffen wir uns zu einem Potluck gemeinsam mit einem Juan, einem Argentiner und Richard einem 80 jährigen Alasker.
Der Termin zum Auswassern in La Cruz de Huanacaxtle am 28. März rückt näher und wir legen fristgerecht vorerst im Hafen an, sehen uns auf der Werft um und treffen alles wie vereinbart an. Die Dada Tux bekommt ein neues Antifouling und der Rumpf oberhalb der Wasserlinie wird abgeschliffen. Daneben gibt es einige «kleinere» Arbeiten zu erledigen. Am 31. März erwarten wir für einige Tage Besuch von Max und Irma. Wir freuen uns gemeinsam mit ihnen einige Tage zu verbringen haben wir uns doch vor etwa 10 Jahren letztmals gesehen. Da die Dada Tux früher als geplant zurück ins Wasser kommt gibt uns dies Gelegenheit mit Max und Irma einen Ausflug zu den Islas Marietas und Punta de Mita zu unternehmen. Las Islas Marietas sind ein Naturschutzgebiet und dürfen ohne Bewilligung und Führer nicht besucht werden. Wir haben keine Bewilligung und umrunden langsam die Inselgruppe, sehen Fregattvögel und (Blaufuss)tölpel – die blauen Füsse sehen wir beim fliegen nicht – und viele Buckelwale, sogar eine Mutter und ihr Junges ganz aus der Nähe. Kleinere Ausflüge nach Bucerias und Sayulita inklusive Frühstück und/oder Nachtessen, Besichtigung des Ortskerns.
La Cruz de Huanacaxtle ist ein ehemaliges Fischerdorf, das seinen Charakter weitgehend beibehalten konnte. Huanacaxtle ist der Name eines tropischen Baumes, der hier zu finden ist. Er ist wertvoll als Bauholz, aus seinen Fasern kann Seife hergestellt werden, seine Früchte sind Nahrungsergänzung für Nutztiere und nicht zuletzt ist er ein willkommener Schattenspender.
Wir warten auf einen Teil des elektronischen Windmessers, der die «nächsten Tage» hier sein sollte und geniessen die ruhigen, für mich schon fast (zu) heissen Tage bevor wir gegen Ende Monat Richtung San Diego segeln.
Vor einigen Wochen wurden wir per Mail von einer Oltener Zeitung für ein schriftliches Interview über unsere Segelreise angefragt. Hier der Link dazu:
https://www.noz.ch/olten-niederamt/detail/article/die-natur-bestimmt-den-rhythmus-00209832/