Von Helen auf Donnerstag, 27. Dezember 2018
Kategorie: Region

Unter Segel von Piriapolis nach Ushuaia


Anfangs November lassen wir die Leinen in Piriapolis los. Unsere erste Etappe führt uns bis nach Mar del Plata, etwa 245 nm entfernt. Nach über zwei Monaten auf dem „Trockenen“ müssen unsere Seebeine zuerst wieder etwas wachsen.


Die Überfahrt verläuft problemlos mit moderaten achterlichen Winden wir kommen sicher im Yacht Club Argentino an, bleiben beim anlegen zwischen den zu krummen und engen Pfählen stecken und touchieren mit der einen Wante. Zum Glück ohne Schaden wie wir durch eine Mastkontrolle feststellen. Noch nicht einmal richtig vertäut stehen sieben Personen und ein Hund vor der Dada Tux. Es sind Leute von der Prefectura, dem Zoll und von der Immigration. Am nächsten Tag holen wir unsere Freundin Moni vom Flughafen ab und freuen uns sie dabei zu haben. Mit Guillermo, einem Kapitän auf einem Fischerboot freunden wir uns im Yachtclub an. Er gibt uns zahlreiche gute Tipps, führt uns mit seinem Auto überall hin und wir erfahren so einiges über Land, Leute und natürlich der Fischerei.


Die benötigten Landleinen sind leicht zu finden, alles andere wie gefütterte Gummistiefel, Kugelfender und das auffüllen unserer Gasflasche bleibt ein Wunsch. Die 15 Liter Motoröl „ergattern“ wir teuer im letzten Moment. Dafür können unsere Essensvorräte gut aufgestockt werden.


Der Superwind, unser Windgenerator, lädt nicht mehr und Hansueli ist wieder einmal mehr in Kontakt mit der Herstellungsfirma. Es scheint uns nichts anderes übrig zu bleiben als Ersatzteile nach Ushuaia kommen zu lassen in der Hoffnung, dass diese ankommen und wir das Problem lösen können. Zum Glück scheint oft die Sonne bei sehr angenehmen Temperaturen und unsere Solarpanele beliefern uns teilweise mit Strom, teilweise kommt er über den Motor den wir bei Flaute laufen lassen.


Puerto Piramide auf der Peninsula Valdés ist unsere nächste Destination. Die Peninsula Valdés gehört zum Weltkulturerbe und ist so etwas wie der Traum aller LiebhaberInnen südatlantischer Meeresfauna. Wiederum haben wir gutes Wetter und angenehme Windverhältnisse bis uns eine Kaltfront von ca. 12 Stunden mit Starkwind aus Südwest erwischt. Wir können den Kurs nicht halten obwohl wir die Segelfläche stark reduzieren. Gischt spritzt übers ganze Deck und binnen kurzer Zeit sind wir mit Salz getränkt. Wir segeln hin und her, auf unserem Track sieht es aus wie eine Schleife dann können wir unseren geplanten Kurs erneut aufnehmen. Wir funken die Prefectura an, wo wir täglich unsere genaue Position mit Geschwindigkeit und Kurs per Mail angeben (müssen/dürfen), und bitten um Erlaubnis in Puerto Piramides zu ankern. Dies wird uns per Funk gewährt obwohl ein generelles Verbot für die Peninsula Valdés während der Monate besteht wo sich die Wale dort aufhalten.


Wir sind glücklich darüber und lassen den Anker nach 560 nsm fallen. Im Golfo Nuevo tummeln sich an diesem Tag die Südkapper (eine der 4 Gattungen der Glattwale). Sie sind eine der grössten Walarten mit bis zu 18 Metern Länge und einem Gewicht bis zu 80 Tonnen. Unglaublich, dass gerade an „unserem“ Tag so viele hier sind; wir zählen sicher um die 50 ganz aus der Nähe und in jeglicher sichtbaren Distanz. Sattsehen ist kaum möglich und Moni und ich „piepsen“ um die Wette. Delphine, Pinguine, Robben und Sturmvögel begleiten uns. Kaum vor Anker kommt ein Aufruf der Prefectura über Funk dass wir den Ankerplatz verlassen müssen um uns ca. 30 nsm an einen anderen Ort zu verlegen. Nach harter Diskussion dürfen wir für eine Nacht bleiben und geniessen die idyllische Umgebung.


Beim „Znacht“ schaut ein Wal beinahe zum Fenster herein. Bei Windstille motoren wir die 35 nsm bis Puerto Madryn, eine fast 100`000 Einwohner zählende Stadt mit grossem Sandstrand am Ende der Bucht Golfo Nuevo. Sie zählt zu den beliebtesten Feriendestinationen der ArgentinierInnen. Wir ankern vor dem Bojenfeld relativ weit weg vom Ufer und fahren mit dem Dinghi in die Stadt, um uns wieder einmal mehr an- und abzumelden, eine wiederkehrende oft mühsame Angelegenheit mit all den Schiffspapieren, Pässen, vor zu zeigenden abgestempelten Papieren der vorgängigen Orte. Wir flanieren bei sommerlichen Temperaturen dem Stadtstrand entlang und nehmen ein Auge voll von dieser Stadt in uns auf kaufen etwas frisches Obst und Gemüse und gehen zurück auf die Dada Tux. Wir sind froh einen ruhigen trockenen Tag erwischt zu haben. Bei Wind und Welle kann es ganz schön ungemütlich werden vor Anker. Am nächsten Morgen verlegen wir an den knapp 30 sm entfernten Fondeadero Cracker am südöstlichen Ende des Golfo Nuevo und ankern in einer recht offenen jedoch vor südwestlichen Winden gut geschützten Platz.



Puerto Santa Elena in einer Distanz von 130 nsm ist unser nächstes Ziel. Der Puerto ist weit davon entfernt einer zu sein. Eine einzige verlotterte Hütte, wo Fischer Ware aufbewahren, ist zu sehen. Von den vier möglichen Ankerplätzen, je nach Windrichtung, ankern wir in einer wie eine Blase aussehende Minibucht. Diese ist gegen alle Windrichtungen geschützt, jedoch nur mit einem Schiff mit wenig Tiefgang möglich. An Land sichten wir unsere ersten Guanacos auf dieser Reise und Kelp Gänse. Bis jetzt haben wir jeden Ankerplatz für uns ganz alleine und wir empfinden dies als grosse Privileg.


Von Puerto Santa Elena wollen wir nach Isla Leones und wenn immer möglich die Isla Tova besuchen. Die wechselnden Winde lassen uns jedoch entscheiden in die Caleta Horno zu segeln und uns dort zu „verstecken“. Kurz vor dem Eintritt in die Caleta frischt der Wind auf. Es ist das erste Mal, dass wir die Landleinen benutzen. Wir wissen nicht wie viel Platz wir im Innern zum manövrieren haben und entscheiden vor der Einfahrt alles vor zu bereiten. Wir müssen das Dinghi ganz aufblasen, dann die Ruder und die Ketten aus der Segellast holen. So dreht Moni Runde um Runde und Hansueli und ich bereiten alles andere vor bevor wir uns in die Caleta wagen. Eine weise Entscheidung die wir treffen.


Wir schmeissen den Anker, lassen das Dinghi ins Wasser, der Motor wird angehängt und der Benzinkanister fixiert, die Ruder und der Dinghianker finden ihren Platz, so dass nur noch Hansueli fehlt. Er zieht sich seine Fischerhose mit Stiefeln über all die Kleider ebenso wie die Sicherheitsweste. Nun ist es Zeit ins Böötli zu steigen das eine Ende der Leine zu befestigen und vom Schiff aus regelmässig, jedoch ziemlich rasch, Leine ab zu wickeln. Die eine Landleine wird zuerst mit einer Kette um einen Felsen befestigt, auf der anderen Seite hängt schon eine Leine an der wir uns festmachen können. Da sind wir wohl nicht die ersten, welche in der Caleta Horno ankern.


Wir bleiben drei Nächte, fahren mit dem Dinghi an Land und wandern durch hohes Gras, erklettern Felsen und geniessen sehr verschiedene, von jedem neuen Ort wieder eindrückliche Panoramen. Es geht gegen Niedrigwasser zu, für uns eindrücklicher da wir so viel mehr von der Caletalandschaft sehen. Über uns fliegen Sturmvögel, weisse Antarktik- Kelp- und Überlandgänse. Nicht zu vergessen die Guanacos mit Jungtieren. Ein Seelöwe „bestaunt“ die Dada Tux.



Kelp – eine jodreiche grosse Seetange begleitet und auf Schritt und Tritt, wie man an Land sagen würde. Sie hängt sich ans Ruder und reduziert die Geschwindigkeit fast wie ein Schleppanker, verhakt sich im Anker. Um sie los zu werden bleibt oft nichts anderes übrig als sie zu zerschneiden. Dafür haben wir eine Säge an einem langen Stil (von der SY Stranizza erhalten). Bei jedem Gezeitenwechsel, der oft mit einem Wasserunterschied von einigen Metern einher geht, ziehen Kelpteppiche vorbei, die obersten Blättchen sehen aus wie kleine Blasenantennen und schauen eigentlich ganz neckisch in die Wasserlandschaft.

Etwa 190 nsm entfernt ist unsere nächste Destination Puerto Deseado.


Dieser liegt ungefähr 33 nm südlich von Cabo Blanco und liegt an der Nordseite der Ria Deseado. Es gilt gut zu berechnen zu welchen Zeiten man durchsegelt, gibt es doch Strömungen von fünf bis sechs Knoten. Dazu gibt es viele Strömungs- und Windwirbel die einiges an Aufmerksamkeit erfordern. Es gibt eine Schiffswerft (Coserena) mit einem rostigen, renovierungsbedürftigem alten Arbeitsfloss wo man anlegen kann. In unserem Führer wird beschrieben, dass Segelschiffe nicht mehr gern gesehen sind. Beim Club Nautico gibt es Bojen die belegt werden können. Auf wiederholten Aufruf per Funk und vorhergehenden Mails hören wir nichts und einige der Bojen werden als nicht sicher beschrieben. Die Yamana, ein Pilotboot lässt und längs gehen, nur müssen die auf Abruf und/oder Bestellung bereit sein, um andere, vorwiegend Fischerboote zur Schiffswerft oder von dort zu verschieben. Konkret heisst dies, dass wir uns jedes Mal wenn die Yamana „arbeitet“ uns wir verlegen müssen, vor Anker oder bei ruhigem Wetter an ihren Platz vertäuen, sie dann jedoch wieder an ihren Platz lassen. Die Arbeitszeiten der Yamana sind sehr unterschiedlich, auch nachts und richten sich nach der Tide. Bei Südwind schwemmt es uns auf die Felsen.


Also verlegen wir zur Schiffwerft und bitten bleiben zu dürfen. Wir machen gute Erfahrungen, werden nett behandelt und dürfen so lange bleiben wie wir wollen. Die Kosten pro Nacht belaufen sich auf U$D 25.00, was für den gebotenen Service ein stolzer Preis ist. Ab 4 Nächten ist es gratis, d.h. wir bezahlen 100 U$D (auf alle Fälle für uns war das so). Wasser bunkert man in Kanistern von den Küche der Werftarbeiter, Diesel holt man ebenfalls in Kanistern im Dorf. Die WC- und Duschanlagen befinden sich halboffen zum Essraum und werden von den Arbeitern benutzt. Die Dusche ist ohne Vorhang und es hat vorwiegend Pissoires. Der Geruch ist eindeutig unangenehm.


Wir können unsere Gasflasche auffüllen und sind nun wieder gut ausgerüstet mit Gas (3 Flaschen à 11 – 12 kg). Hier treffen wir das erste Mal seit Mar del Plata mit anderen südwärts gehenden Segelyachten zusammen, Obelix, ein französisches, Lucipara2 ein holländisches und Pazzo ein US amerikanischen Boot. Wir alle warten auf ein Wetterfenster um die letzte Strecke nach Ushuaia oder Punta Arenas (Obelix) zu bewältigen. Für uns heisst das eine Woche warten, für Pazzo und Lucipara2 einen Tag.


Puerto Deseado und seine Umgebung, vor allem in Richtung Ria Deseado sind wunderschön. Spaziergänge geniessen wir besonders bei Ebbe, da erheben sich alle kleinen Inselchen und werden von den Vogelarten der Region bevölkert. Besonders angetan hat es mir die „Garza bruja“ wörtlich übersetzt die Storchenhexe. Wir sehen rosa Flamingos, Hasen, Wildpferde….Wir besuchen verschiedene Höhlen unter anderem die „Cueva de los leones“ ein gewaltiger Platz mit vielen versteckten Nischen, jedoch ohne Seehunde und -löwen (auf alle Fälle als wir dort sind).


Das günstige Wetterfenster kommt, etwas kurz in der Zeit bevor starker Südwestwind angesagt ist, um die letzte Etappe von gegen 600 nm unter die Segel zu nehmen. Wenn alles gut geht, wollen wir ein einem Zug bis nach Ushuaia, unserem vorläufigen Ziel. Natürlich bereiten wir verschiedene Szenarien und Ausweichplätze vor. Die Bahia Hoppner auf der Isla de los Estados ist mein Favorit. Wir versuchen möglichst Küsten nah zu segeln. Das gibt weniger Wellen, dafür ein paar Meilen mehr. Bei schwachen Winden kürzen wir etwas ab.


Wichtig ist, dass wir die Le Maire Strasse zur rechten Zeit passieren, da bei Gegenstrom und ggf. Gegenwind kein Durchkommen ist. Unsere Berechnung geht fast auf die Minuten auf und wir rauschen hindurch getragen von Segel und Strömung. Von der südöstlichen Spitze von Feuerland bis nach Ushuaia ist es eine nicht zu unterschätzende Distanz mit Gegenströmung und sehr unterschiedlichen Windverhältnissen. Nach genau 101.01 Stunden machen wir im Club Nautico Ushuaia fest.


Die etwas berüchtigte und gefürchtete Strecke der argentischen Küste südwärts hält für uns viel Gutes bereit: fast sommerliche Temperaturen, Sonnenschein und mit wenigen Ausnahmen moderate Windverhältnisse. Natürlich versuchen wir die „richtigen“ Wetterfenster abzuwarten. Mit der heutigen Technologie ist dies oft möglich und erleichtert das Reisen sehr. Zu dem sind wir auf unserer Reise ganz schön verwöhnt, schwimmen Delphine (Commerson`s und Dusky Delphine), Robben, in der Peninsula Valdés die Südkapper und Magellan Pinguine. Über uns fliegen Sturmvögel, Möwen ganz unterschiedlicher Art oft lange und immer wieder mit der Dada Tux.


Moni unsere Freundin geht nach 6 ½ Wochen von Bord. Danke Moni für gemeinsame Zeit. Hansueli und ich entscheiden uns „erst“ im Februar durch den Beaglekanalkanal Richtung Puerto Montt oder Valdivia zu segeln. Zum einen ist der Wind (prognostisch) angenehmer, zum andern erwarten wir Teile vom Superwind und Post aus der Schweiz.


Täglich kommen mehr Segelboote an, davon 3 uns bekannte.


Dem 2018 verbleiben noch einige Tage, 2019 erwartet uns. Jede / jeder von uns hat Hoffnungen, Wünsche. Dass diese in Erfüllung gehen wünschen wir euch allen.

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