Am 2. Juni, nach 83 Tagen Honolulu, verlassen wir den Hawaii Yacht Club. Der Abschied verläuft etwas anders als Covid-19 konform, sehr herzlich und spontan. Besonders berührt mich Brian`s Riesenmuschel Abschiedsmusik.
Unsere übliche Kontrollliste ist abgehakt. Zwei Tage später werden wir eines Besseren belehrt. Beim Ausreffen mit Motorunterstützung ertönt der zusätzlich eingebaute Überhitzungsalarm des Auspuffs. Der Seewasserfilter ist verstopft. Was ist passiert? Kurz vor unserer Abreise lassen wir das Unterwasser von Eric reinigen, kontrollieren jedoch vor der Reinigung alle Filter. Und so haben sich Teile von der Unterwasserreinigung im Filter verhangen und lassen das Seewasser nicht mehr durch. Für Hansueli fängt das «Mechen» an. Der Impeller ist in der Zwischenzeit seine Flügel los, Teile davon haben sich im Wasseraustauschbehälter verfangen. Nach wiederholtem aus- und einbauen der diversen Schläuche und sonstigen Teilen saugt der Motor Meerwasser an. Durch das diverse Abschrauben und wieder anschrauben des Schlauches zwischen dem Seewasserfilter und dem Getriebe erhält dieser jedoch eine leicht lecke Stelle. In Kodiak wird der Schlauch ersetzt.
Mit 4-5 Bf und wenig Welle können wir den Kurs gut halten und kommen Wunsch gemäss voran. Am vierten Tag dreht der Wind und wir ändern den Kurs etwas westlicher um einem langgezogenen schlanken Windloch auszuweichen. Segeln wie auf seidenen Pfötchen erwartet uns. Die «Hitze» von Hawaii verabschiedet sich, Regenschauer wechseln sich mit Sonnenschein ab. «Passt nur auf, dass ihr nie einen Container rammt», hören wir immer wieder. Keinen Container, sondern ein grosser Baumstamm verfehlt unser Boot um Haaresbreite. Keine Chance so ein knapp über der Wasserfläche schwimmendes Teil zu sehen. Wir kommen mit dem Schrecken davon – vielleicht als Vorübung für Alaska und Kanada wo ab und zu ein Baumstamm seiner eigenen Wege geht. Die nächsten 2 ½ Tage bläst der Wind sehr schwach, doch immerhin. Unsere Leichtwindgarderobe (Code Zero und Parasailor) kommt zum Einsatz. Zu zweit, vor allem den Parasailor zu setzen, bedarf einiges an Vorbereitung. Unsere beiden Leichtwindsegel sind unter unserer Koje in der Bugkabine in einem speziell dafür gemachten «Fach» untergebracht. Der grosse Vorteil: wir können viele Vorbereitungen von innen treffen und die Segel durch die Luke ziehen und leicht wieder hinunter lassen. Der Nachteil: wir müssen aufpassen, dass die Segel möglichst trocken geborgen werden können und/oder im Nachhinein für ein möglichst trockenes Klima sorgen. Für uns bewährt sich dieses System.
Ist Segeln an und für sich schon eine Entschleunigung kommt es in dieser Leichtwindphase zu einer Entschleunigung der Entschleunigung. Wunderschöne Stimmungsbilder von Sonnenauf- und Sonnenuntergänge sowie eine Vielfalt von Nuancierungen der Wolken- und Sonnenspiele die mit dem Wasser wetteifern sind unsere «Aussicht». Vereinzelt kreisen Möwen neugierig um die Dada Tux, ab und zu «düst» ein fliegender Fisch knapp über der Wasseroberfläche vorbei. Sonst sehen wir (leider) auf der ganzen Überfahrt keine Tiere.
Eine weitere Episode hält uns auf Trab. Beim Abendessen kochen setzt das Gas aus. Und dies obwohl wir in weiser Voraussicht die angebrochene Gasflasche vor unserem Ablegen gegen eine volle austauschen um sie unterwegs nicht wechseln zu müssen. (Die Gasflaschen befinden sich steuerbord und backbord in Fächern hinten auf der Plattform und bei starkem Seegang kommt das Auswechseln einem nassen akrobatischen Balanceakt gleich). Unser Gaskapazität beträgt 3 Flaschen à 12 kg, was in der Regel sehr weit reicht. Wir gehen in Honolulu davon aus, dass wir zwei volle und eine noch wenig gefüllte mit uns führen. Die eingesetzte volle Flasche hat jedoch einen defekten Dichtungsring, so dass sich das Gas Klang heimlich verabschiedet.
Am 8. Juni vor fünf Jahren liessen wir in Makkum (Holland) die Leinen los, Grund genug um mit Kuchen und Tee darauf an zu stossen.
In den folgenden Tagen und Nächten ist Nebel unser ständiger Begleiter. Grau in grau bei sinkenden Temperaturen und entsprechend schlechter Sicht kommen wir voran. Wie sehr schätzen wir da ein wohl riechendes und ebenso gut mundendes frisches selbstgebackenes Brot von Hansueli. Nun legt der Wind wieder zu; zu dem mit starken Böen und hart am Wind wird die Krängung ungemütlich und jede Aktivität «komplizierter». Beim Essen wird der Tellerrand auf der Luvseite vom Körper entfernt angehoben, auf der Leeseite umgekehrt um den Inhalt möglichst im Teller zu behalten. Die Beine werden am Salontisch verstrebt.
Jedes Schiff und so auch die Dada Tux hat ihre eigenen Töne, von hoch bis tief, lange und kurze, ächzende, quietschende, scheppernde, sprechende, singende…... Diese gilt es immer wieder zu orten und zu unterscheiden, sowie zu entscheiden ob es sich um «gefährliche» Geräusche handelt denen man nach gehen muss. Wahrlich eine differenzierte, herausfordernde akustische Wahrnehmungsübung.
Um einen kleinen Einblick in unseren Segelalltag auf Langfahrt zu haben folgendes: Bei Wachwechsel ertönt Hansueli`s Stimme mit den immer selben Worten an meinem Ohr: «chasch du mi ablöse» während meine Worte (ebenfalls immer gleich, was ich mir erst seit kurzem bewusst bin) sind: «es isch scho e chli Morge».
Draussen ist es wie im November am Jurasüdfuss, grau und stürmisch. Wir befinden uns am Rande eines Tiefdruckgebietes. Unsere Taktik dem Tief entgegen zu segeln und dabei den Kurs so zu halten, dass das Tief vor uns vorbei zieht geht nicht auf. Das Tief entscheidet sich für eine andere Richtung. Wir drehen im rechten Winkel ab und warten bis es ruhiger wird bevor wir wieder Kurs auf Kodiak aufnehmen. Es fehlen 2-3 Tage à 120-140 NM Etmale bis zu unserem Ziel. Der Schiffsverkehr nimmt zu, mit und ohne AIS, die meisten davon sind Fischerboote.
Nach 18 Tagen und 2 Stunden legen wir im St. Pauls Harbor, einem Fischerhafen der jedoch Segelboote und deren Crews freundlich aufnimmt, an. Gerade rechtzeitig zur Sonnwende sind wir in Kodiak.
Auf den Punkt gebracht:
Zurück gelegte Distanz: 2517 NM
Dauer: 18 Tage 2 Stunden
Seglerisch: sehr unterschiedliche Anforderungen.
Strömung: etwa einen Knoten mal mit mal gegen uns
Wellen: mit wenigen Ausnahmen waren die Wellen zwischen 1-2 Meter, es gab Kreuzseen über kurze Zeit und Wellen bis zu schätzungsweise etwas über 3 Meter.
Wind: mehrheitlich bläst es mit 4-5 Bf, 2-3 Tage mit 2-3 Bf und einige Tage mit 6-8 in Böen 9-10 Bf.
Wetterverhältnisse: für mich kann man die Fahrt in drei Teile einteilen: Das erste Drittel ist heiss, angenehmer Wind von der gewünschten Richtung, wenig Welle.
Das zweite Drittel: es wird langsam kühler, grauer, und ab ungefähr N38° W160° kommt dichter Nebel auf und die Luftfeuchtigkeit beträgt bis 98%.
Drittes Drittel: Die Tage werden merklich länger, kühler jedoch weniger neblig.
Unvorgesehenes: Probleme mit der Seewasserkühlung, Gasflasche auf hoher See auswechseln.
Batterien: Unsere neuen AGM Batterien 6x 105 entsprechen unseren Erwartungen. Ab dem 2. Drittel der Fahrt bei meistens räumlichen Winden und nur bewölktem Himmel müssen wir jedoch die Batterien mit dem Motor «aufpäppeln».
Fauna: Ausser wenigen fliegenden Fischen und Möwen «unterhält» uns der Pazifik in dieser Beziehung spärlich.
Nahrungsmittel: bis nach Kodiak essen wir frisches Obst und Gemüse
Persönlich: eine der bisher herausfordernsten Strecken