Den regnerischen Morgen auf dem Ocean Pond Camping konnte ich gut nutzen. Den letzten Blog Beitrag stellte ich fertig. Am Nachmittag lies der Regen nach und es hellte auf. Die Nordlichter sollten bis nach Florida zu sehen sein. Ich sah keine. Einen grösseren Horizontbereich vom Campingplatz aus zu sehen wäre auch schwierig gewesen,. Der Campingplatz liegt schön gelegen im Wald. Der grösste sichtbare Horizontblick ist über den See. Der liegt in der falschen Richtung nach Süden.
Mein Kühlschrank und die Obst- und Gemüsekiste waren leer. In Lake City füllte ich sie auf, ebenso den Dieseltank. In den letzten Tagen leuchtete immer wieder die allgemeine Motorwarnung auf. Diese Warnung bedeutet, dass ich demnächst eine Werkstatt aufsuchen muss, um den Motor überprüfen zu lassen. Im Gegensatz zu Supermärkten haben Werkstätten sonntags geschlossen. Weiterfahren und mal schauen. Auf dem Hinweg nach Florida fuhr ich an der Küste entlang. Auf dem Rückweg wählte ich den Hwy I-10, um ein paar Meilen weiter nach Nordwesten zu kommen, mit dem Ziel kurz vor Mobile zu übernachten. Tempomat auf 62 mph (100km/h) und Sirius MX Radio auf einen der wenigen Jazz-Sender eingestellt. 70 mph (113km/h) wären erlaubt, aber dann verbraucht mein Van zu viel Diesel. Die meisten, auch die grossen Trucks, fahren 75 mph (120km/h).
Bei Spanish Fort, auf der Ostseite der Mobile Bay, fand ich ein ruhiges Plätzchen. Kaum angekommen, zog ein Gewitter mit starkem Regen vorbei. Als ich am nächsten Morgen weiterfahren wollte, zog ein noch stärkeres Gewitter auf. 2 mal bekam ich eine Unwetterwarnung auf mein Handy. Ich habe keinen Fahrplan, so liess ich den Regen prasseln und den Wind um den Van pfeifen. Ich machte es mir gemütlich und las den Roman ‹Going Zero› von Anthony McCarten. Ein Buch über die sehr nahe Zukunft der totalitären Überwachung. Spannend und gut geschrieben. Nach 1 ½ Stunden beruhigte sich das Wetter.
Beim Wegfahren war die Motorwarnung wieder an. Ich hielt bei der Mercedes-Werkstatt in Mobile. Ab Donnerstag hätten sie einen Termin frei. 3 Tage warten war mir zu lang. In New Orleans, 2 ¾ Std. entfernt, gibt es eine Mercedes Sprinter Werkstatt. Lieber 3 Stunden in die ‹falsche› Richtung fahren als 3 Tage warten.
Der Servicekoordinator erklärte mir ihre Regeln. Wenn sie mit der Arbeit beginnen, muss der Van in der Werkstatt bleiben, bis die Arbeit fertig sind. Wenn sie heute nichts finden, muss ich ins Hotel. So war es aber nicht. Sie haben nichts gefunden und ich durfte am Abend mit dem Van wegfahren, um am nächsten Morgen um 8 Uhr wieder in der Werkstatt zu sein.
Auf der Zufahrtsstrasse zum New Orleans Museum of Art (NOMA) darf man über Nacht stehen und liegt 15 min von der Werkstatt entfernt. Niedrige Bäume säumen die Allee. Vielleicht standen einmal grössere Bäume an der Strasse, die aber vom Hurrikan Katrina 2005 zerstört wurden. Das Museum wurde wie sehr viele andere Gebäude durch den Hurrikan beschädigt. Nach dem Hurrikan entstand die basisdemokratische Selbsthilfeorganisation Common Ground Collective. Sie ist bis heute neben der Nahrungsmittelhilfe für die arme Bevölkerung im Wiederaufbau der Küstenfeuchtgebiete aktiv.
Am nächsten Tag wurde mittags diagnostiziert, dass sie einen Teil der Abgasreinigung nachkalibrieren mussten. OK, ich bezahlte, tankte an der nächsten Tankstelle Diesel und fuhr weiter zu einem Co-op zum Einkaufen. Im NOMA werden anlässlich 100 Jahre Surrealismus Fotos von 5 Frauen gezeigt, die damals aktiv waren. Einige der ersten SurrealistInnen kamen aus der DADA-Bewegung. Der wohl bekannteste Surrealist, Salvador Dalí, war ein Meister in der Vermarktung seiner Kunst. Leider sind die Fotos der 5 Frauen relativ versteckt und die Fotoauswahl ist enttäuschend klein. Das NOMA wurde im Dezember 1911 eröffnet. Die damals zeitgenössische Kunst war den Gründern fremd. Sie stellten alte europäische Kunst aus. Viele Niederländer, und ich staunte und musste die Bildbeschreibung lesen, von einem Franzosen hing ein über 2,5 m hohes Bild des Matterhorns. Gemalt wurde es um 1900. Neben einem älteren Bild von Picasso steht eine starre Bronzefrau von Alberto Giacometti. Bei Alberto Giacometti sind nur die Männer in Bewegung.
Wangechi Mutu ist eine grosse Ausstellung gewidmet. Die in Kenia geborene Künstlerin lebt in New York City. In einem Interview mit dem amerikanischen Radiosender npr schrieb die Künstlerin in einer E-Mail: «Kunst machen und Reisen sind meine grössten Lehrer. Jeder sollte reisen, nicht nur um Neues zu sehen, sondern um Neues in sich zu sehen.» Ich reise nur und mache keine Kunst, aber dieser Satz wärmt mein Herz. Wangechi Mutu ist eine sehr vielseitige Künstlerin. Angefangen hat sie mit Collagen, inzwischen arbeitet sie auch mit Video und macht Skulpturen. Einige ihrer Skulpturen sind im angrenzenden Skulpturengarten zu sehen. Im Museum steht vor einer Halle ein nackter Bronzemann von Auguste Rodin. Ich fragte mich, ob diese Skulptur in einem Museum in Florida noch stehen dürfte. Kinder unter 15 Jahren haben im NOMA freien Eintritt. In Florida zeigte eine Lehrerin den Jugendlichen im Kunstunterricht ein Bild von Michelangelos David. Sie wurde daraufhin entlassen
Mit vielen Eindrücken im Kopf fuhr ich Richtung Norden. Als ich nach 60 km an einer Ampel den Motor abstellte, leuchtete die Motorwarnung nach dem Anlassen wieder auf. Was solls, es nervt, aber ich kann es nicht ignorieren. Telefonisch meldete ich mich für den nächsten Morgen um 8 Uhr in der Werkstatt an. Auf dem kürzesten Weg fuhr ich zurück nach New Orleans.
Diesmal eine andere Diagnose. Ein von mir eingebautes Zusatzmodul verursache diese Fehler. Das Modul soll laut Werbung Diesel sparen und die Leistung verbessern. Sparen von Diesel ist für mich eine gute Sache, also kaufte ich es. Es ist kein chinesisches Billigprodukt, sondern ein Modul aus Deutschland, das von Mercedes akzeptiert wird. Die Diagnose war natürlich nicht gratis. Weiterfahren wollte ich nicht. Für eine Nacht fuhr ich auf den Campingplatz, auf dem ich schon vor ein paar Wochen gewesen war. Ich wollte mal wieder ausgiebig duschen. Vorher baute ich das Modul und die dazugehörigen Kabel aus. Ich wollte sicher sein, dass es wirklich dieses Modul ist bevor ich beim Hersteller reklamiere. Ich hatte schon mal Probleme damit und bekam vom Hersteller ein Software-Update.
Bevor ich frühstückte, ging ich nochmal duschen. Als ich nach dem Frühstück den Wassertank füllen wollte, hatte der Campingplatz kein Wasser mehr. Nicht so schlimm, der Tank war noch zu 2/3 voll. Vor 3 Tagen wollte ich in Natchez sein, jetzt einfach später. Eine Stadt mit alten Herrenhäusern am Mississippi. Für diese Gegend bin ich zur falschen Zeit unterwegs. Es ist die Zeit der heftigen Gewitter und Regenfälle. Von dem Parkplatz, auf dem ich übernachtete, könnte man einen wunderschönen Sonnenuntergang geniessen. In Gedanken wischte ich das Grau weg und stellte mir die Sonne vor. Ein paar Mal wurde ich in der Nacht vom starken Regen und Donner geweckt. Schön, wenn der Wetterbericht nicht stimmt, am Morgen regnete es nicht mehr. Ein altes Haus fiel mir auf. Es war in einem anderen Stil gebaut. Nie hätte ich gedacht, dass das Haus im ‹Swiss-Chalet-Style› gebaut ist. So stand es auf einem Hinweisschild.
Auf kleinen Strassen fuhr ich nach Shreveport. Wälder, Rinderweiden und Maisfelder säumten die Strassen. In Shreveport, der drittgrössten Stadt von Louisiana, wollte ich am Red River übernachten. Wie ein grosser Teil der Südstaaten liegt Shreveport im Bible Belt (Bibelgürtel). Zuvor hatte ich bei Wikipedia gelesen, dass Shreveport die höchste Kriminalitätsrate der USA hat. Darauf konnte ich gut verzichten und fuhr 30km weiter zur ersten Raststätte in Texas. Lieber nachts den Lärm der Hwy I-20. Im Gegensatz zu Louisiana darf man in Texas auf den Rastplätzen im WoMo übernachten. Und, der Verkehr lies mich gut schlafen.
Wieder einmal Paris und Eiffelturm. In Paris, Texas gibt es einen. Er ist klein und trägt einen roten Cowboyhut. Daneben, grösser, ein Veteran Memorial. Paris, Texas erinnert mich an den Film von Wim Wenders, der vor 40 Jahren in Cannes uraufgeführt wurde. Paris, Texas kommt in keiner Szene vor. Wenn ich mich recht erinnere, kommt Paris, Texas in einem einzigen Satz vor. Am Rande des grossen Parkplatzes gibt es Stellplätze für Wohnmobile mit Strom und Wasser. Nirgendwo ein Schild, wo und wie man bezahlen muss. Da nutzte ich die Gelegenheit und füllte meinen Wassertank. Bleiben wollte ich auf diesem Parkplatz nicht. Ein Platz am kleinen Lake Fannin, 1 ½ Stunden weiter, lockte mich mehr, auch wenn es dort keinen Handyempfang gab. Ich fuhr durch Dörfer mit phantasievollen Namen wie ‹Summer› oder ‹Telephone› und weite Getreidefelder.
Am ausgetrockneten Lake McClellan gibt es einen staatlichen Campingplatz mit Dusche, Wasser- und Stromanschluss für 15 Dollar pro Nacht. Für diesen Preis kann man wohl kaum Reinigung und Reparaturen bezahlen. Vor dem duschen spritze ich den Boden der Dusche gründlich ab, damit meine Füsse nach dem Duschen nicht schmutziger waren als vorher. Beim Auffüllen des Wassertanks kam mehr Wasser aus dem antiken Hahn als durch den Schlauch. Der Stromanschluss funktionierte. Der Nordwesten von Texas ist eine windreiche Gegend. Viele Windturbinen stehen auf den Feldern und ab und zu ein fast so grosses Kreuz. Ab der Grenze zu New Mexico sah ich keine Windanlagen mehr.